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Pärchen wohnt seit einer Woche in Gartenlaube / Jobcenter bewilligt neue Wohnung nicht Obdachlos: Es geht um 50 Euro

Von Michael Pieper 22.05.2010, 05:18

Diana und Christian (*) erwarten in den kommenden Wochen die Geburt ihres ersten Kindes. Eine Heirat ist nicht ausgeschlossen. Doch für das arbeitslose Paar aus Oschersleben stehen die Sterne derzeit denkbar schlecht: Nachdem sie eine mündliche Zusage des zuständigen Jobcenters für eine größere Wohnung bekommen hatten, gaben sie ihre alte Wohnung in Hornhausen auf. Dann der Schock: Das Jobcenter in Oschersleben zog die Zusage zurück, die neue und größere Wohnung im Wohngebiet Wasserrenne wird nicht unterstützt. Seitdem wohnen Diana und Christian in der Gartenlaube seiner Eltern.

Oschersleben. Während Christian über die Geschehnisse der vergangenen Wochen berichtet, sitzt Freundin Diana nachdenklich bei ihm, hält Christian die Hand, um ihn zu beruhigen. Diana ist hochschwanger, als Volksstimme sie und ihren Freund in der Gartenlaube seiner Eltern besucht. Hier wohnt das arbeitslose Pärchen aus Hornhausen behelfsmäßig seit dem Auszug aus der ersten gemeinsamen Wohnung vor einer Woche.

"Im August erwarten wir die Geburt unserer ersten Tochter. Für drei Personen ist die alte Wohnung in Hornhausen einfach zu klein. Also haben wir uns in Oschersleben nach einer größeren Dreiraumwohnung umgesehen", erzählt Christian beim Treffen in der Kleingartensparte "Bodestrand" am Ortsrand von Oschersleben.

Schnell hatten sich Diana und Christian in eine Wohnung im Wohngebiet Wasserrenne verguckt. "Die wäre perfekt gewesen und kostet nur 50 Euro mehr als die alte", schwärmt Diana.

Christian und Diana sind arbeitslos – sie werden vom Jobcenter am Oschersleber Hackelberg betreut. Die zuständigen Mitarbeiter dort teilten die Freude der werdenden Familie über die neue Bleibe nicht. "Ein Mitarbeiter vom Jobcenter hatte sich unsere alte Wohnung in Hornhausen angesehen und vermessen um festzustellen, ob die nicht ausreichend ist für drei Personen", erinnert sich Christian. "Und der Herr meinte, das würde schon klappen mit dem Umzug." Auch im Jobcenter gab man sich zunächst optimistisch.

Vor einer Woche dann aber der Schock für das Pärchen. "Dem Antrag wird nicht zugestimmt werden", hieß es plötzlich aus dem Jobcenter. "Der Gutachter hatte in seinem Bericht vermerkt, dass das Amt einem Umzug stattgeben könnte, dieser aber nicht zwingend erforderlich sei", erinnert sich Christian an das Schreiben. Plötzlich und unerwartet sahen sich Diana und Christian vor verschlossenen Türen. Die neue Wohnung wird nicht bewilligt.

Also zurück in die alte Bleibe nach Hornhausen? "Da wollten wir nicht wieder hin", fährt es Christian im Gespräch heraus. Das junge Pärchen hatte sich bereits vor Antragstellung mit der Vermieterin aus Hornhausen überworfen. Ein Zurück kommt für die Beiden nicht in Frage.

In ihrer Not greift Christian zum Hörer, ruft seine Mutter in Oschersleben an. "Sie hatte sich sofort bereit erklärt, uns in ihrem Garten am ¿Bodestrand‘ unterzubringen", erinnert sich Christian an den vergangenen Freitag. "Aber das ist ja auch nicht mehr als eine Notlösung." Der werdende Vater wendet sich an seinen Sozialanwalt, der solche Fällen aus seiner täglichen Arbeit kennt.

"Der Fall von Diana und Christian ist insofern verzwickt, weil hier sehr viele Faktoren zusammenspielen", bringt Rechtsanwalt Jürgen Mertens beim Termin in seiner Kanzlei Licht ins Dunkel. "Christian hatte im Dezember seine Lehre zum Mechatroniker in Magdeburg aufgegeben. Bis dahin bekam er Zuschüsse über die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Jetzt werden beide Personen als Bedarfsgemeinschaft über das Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) berechnet. Momentan befindet sich Christian aber in einem Übergangszeitraum. Alles muss neu berechnet werden", klärt der ehemalige Richter am Sozialgericht auf.

Also alles nur eine Frage der Zeit? "Ja schon. Aber dennoch ist es rechtswidrig, wenn das Jobcenter den Antrag zurückweist. Da Diana hochschwanger ist, besteht bei ihr ein erhöhter Raumbedarf. Den Beiden steht also rechtlich eine größere Wohnung zu", weist Jürgen Mertens auf die Rechtssprechung hin.

Auf mehrmalige Nachfrage der Volksstimme beim Jobcenter in Oschersleben nahm sich Teamleiterin Ilona Hirsch des Falls an. "Wir waren am Mittwoch zu einem zweiten Hausbesuch in Hornhausen", berichtet die Jobcenter-Mitarbeiterin. Weitere Aussagen zum Fall Diana und Christian wollte das Jobcenter gegenüber Volksstimme zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht machen, da es sich um ein schwebendes Verfahren handle. Eine Entscheidung über den Antrag steht noch aus, während Diana und Christian weiter auf gepackten Koffern sitzen.

(*) Namen geändert und der Redaktion bekannt.