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Eigentümer haben mehrere Ideen für künftige Nutzung des Herrenhauses Rittergut soll Erholungsort werden

Von Kathrain Graubaum 05.10.2013, 01:08

Ein Ort der Erholung und Vielfalt soll das Rittergut Cattenstedt werden. Die Wiederbelebungspläne der jetzigen Eigentümer drehen sich um Pferde, therapeutisches Reiten, barrierefreie Zimmer und vieles mehr.

Cattenstedt l Hinter dem Ortsschild rasant rechts abbiegen, dann führt eine Auffahrt in Kutschenbreite auf das einstige Rittergut Cattenstedt. Die Jahreszahl 1717 am Giebel erinnert an diese Zeit.

Seitdem hat das Anwesen eine wechselvolle Geschichte erlebt - mal mit Verfall, mal mit Glanz verbunden. Gutsfrau und Gutsherr sind derzeit Tanja Gräfling und Christoph Herrfurth. Als Hotel, so ist es ihr Wunsch, soll sich das Herrenhaus an seine goldenen Zeiten erinnern. Die Wiederbelebungsgedanken der Eigentümer drehen sich um Pferde, um therapeutisches Reiten, um barrierefreie Zimmer für pflegebedürftige Urlaubsgäste, um Angebote zum Erholen, Vergnügen und Genießen ...

Wenn Steine reden könnten. Wer in das Vestibül des Cattenstedter Gutshauses tritt, hat unwillkürlich diesen Wunsch angesichts der jahrhundertealten Spuren, die sichtbar oder doch zu ahnen sind. Und dann reden sie tatsächlich, die Steine. Bedienen sich der Bildersprache. Stiche, Auszüge aus Chroniken, Fotos hängen gerahmt an den Wänden, sind Ergebnisse jahrelanger und intensiver Recherchen der Eigentümer. Seit Tanja Gräfling das Gut im Jahre 2000 gekauft hat, suchen beide nach Zeugen in Schrift und Bild, kommen mit Leuten ins Gespräch, die ihnen Auskunft geben darüber, wer hier lebte und vor allem wie.

So auch mit dem Neffen des Gutsbesitzers, dessen Familie hier bis zur Enteignung 1945 lebte. Jürgen Barnstorf-Brandes stand auf seiner Erinnerungsreise in die Kindheit eines Tages vor der Tür des Herrenhauses.

Bilder von bewegten Zeiten

"Er und die Schwestern des Gutsherren Wilhelm Barnstorf verließen das Anwesen im September 1945. Zu deren Handgepäck", sagt Christoph Herrfurth, gehörte glücklicherweise das Familienalbum. Die Bilder darin erzählen von bewegten Zeiten. Vor allem in den goldenen Zwanzigern hielt ein illustres Leben Einzug im Cattenstedter Gutshaus mit seinem herrlichen Parkgelände."

Davon allerdings war nichts zu ahnen, als Tanja Gräfling und Christoph Herrfurth das verfallene Rittergut, dicht am Stadtrand von Blankenburg gelegen, entdeckten. Sie waren auf der Suche nach Stallungen für ihre Pferde und fanden diesen Ort, an dem sie sich sofort "angekommen" fühlte. "Ich, die nie viel länger als zwei Jahre an einem Ort blieb, lebe nun schon 13 Jahre hier", erzählt Tanja Gräfling und ist immer noch über sich selbst verwundert. Brasilien, Ruanda, Saudi Arabien, Algerien sind Stationen ihrer Jugend; immer mal wieder zwischendurch auch Orte in Westfalen. Ihr Vater war als Ingenieur für die Weltbank oft im Ausland tätig.

Aus Schafstall wurde Reithalle

Dass sie sich gerade hier im Harz zuhause fühlt, habe wohl mit den Wurzeln des Blankenburger Großvaters zu tun, die sie emotional an diesen Ort binden, ist ihre Vermutung.

Tanja Gräfling wohnt in einem der ehemaligen Knechthäuser. Die Nebengebäude des Herrenhauses, die zu DDR-Zeiten von der LPG genutzt wurden, hat sie für ihre Pferde ausgebaut. Aus dem einstigen Schafstall ist eine Reithalle geworden. Sie gibt Reitunterricht und hat den Cattenstedter Parforcejagd-Reitverein gegründet. Die Mitglieder treffen sich im Gewölbekeller, früher befand sich hier ein Obstlager, heute das Casino "Zum Halali".

Die 46-Jährige ist ausgebildete Hotelfach- und -kauffrau, hat ihr erstes juristisches Staatsexamen gemacht und arbeitet als examinierte Physiotherapeutin. Dieser Berufe-Mix ist richtungsweisend bei der Ideenfindung, was man aus dem "Haupthaus" des einstigen Herrensitzes machen könnte: Eine Hotelanlage vielleicht, in der Familien mit behinderten Angehörigen einen entspannten Urlaub verbringen können. Für die Umnutzung des Rittergutes Cattenstedt zu einem entsprechend barrierefreien Erlebnis-Hotel gibt es bereits Architekten-Pläne.

Christoph Herrfurth hat die Entrümpelung und Entkernung des Haupthauses eigens zu seiner Aufgabe gemacht - zunächst so weit mit den eigenen Händen möglich, immer auch behutsam und denkmalpflegerisch. Beim Rundgang wird deutlich, welche Arbeit hinter ihm liegt - und wohl noch vor ihm.

Zu DDR-Zeiten waren hier zwölf Mietparteien untergebracht, von denen die letzten 1994 auszogen. Die damals eingebauten Gemeinschaftstoiletten im Vestibül und im Obergeschoss hat Herrfurth inzwischen herausgerissen. Wogegen die Mauern noch stehen, die die großen herrschaftlichen Räume in kleine Wohneinheiten unterteilten. Dennoch ist hier schon wieder die Größe spürbar. Eine Größe, die sich vielfältigen Nutzungsideen öffnet.

Cattenstedt: günstiger Standort

Die Treppe zum Obergeschoss führt an einer Außenwand entlang, durch deren Fenster der Blick auf den Innenhof fällt. Der ist an seinen vier Seiten von Gebäuden eingerahmt, dahinter liegt eine Streuobstwiese. "Das brachte uns auf den Alternativgedanken, hier eine Seniorenresidenz oder ein Pflegeheim für Demenzkranke einzurichten", sagt Christoph Herrfurth. "Je nach Bedürfnis und Agilität könnten sich die Bewohner auf dem Rittergut betätigen: gärtnern, handwerkeln, Kleintiere versorgen, für das Guts-Restaurant kochen oder für das Hof Café backen ..."

"Für jede unserer Ideen", so Herrfurth, "ist der Standort Cattenstedt günstig, vor allem was die Kooperationen mit den Gesundheitseinrichtungen im Harz betrifft."

Auf der Immobilien Messe Expo Real vom 7. bis zum 9. Oktober in München wollen Tanja Gräfling und Christoph Herrfurth auf ihr Rittergut aufmerksam machen und Partner suchen. Und sollten sie einen Interessenten treffen, der noch ganz andere Ideen mitbringt, dann seien sie auch dafür offen, sind sich beide einig.