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Spielplatz gesperrt Stadtmauer in Wernigerode bröckelt

Seit mehr als 750 Jahren steht Wernigerodes Stadtmauer. Am Vorwerk drohen nun Teile des Bollwerks auf den nahen Spielplatz zu stürzen.

Von Holger Manigk 11.08.2015, 17:52

Wernigerode l Auf einen Bauzaun und Schilder "Betreten verboten! Einsturzgefahr!" stoßen derzeit Kinder beim Klettern und Toben auf dem Eulenspielplatz am Wernigeröder Vorwerk. Ein Teil des Spielgebiets ist gesperrt, da es Probleme mit der Standfestigkeit der angrenzenden Stadtmauer gibt. "Die Sicherheit der Kinder steht an erster Stelle", sagt Baudezernent Burkhard Rudo.

Auf der Rückseite der mittelalterlichen Mauer, die an ein Privatgrundstück grenzt, hätten sich bereits Steine gelöst, so der zuständige Sachbearbeiter Kai Blessmann vom Bauamt. Ein Grund dafür sei Feuchtigkeit in den Fugen, erläutert Rudo. Regen habe den mittelalterlichen Mörtel ausgespült.

Doch auch Frost und die Bauweise des alten Mauerwerks, das vor hunderten von Jahren ohne richtige Fundamente im Boden errichtet wurde, tragen zum Problem bei. Ebenso gefährden neuere Gebäude, die sich an die Mauer lehnen, deren Stabilität. "Dadurch können Steine herabfallen", sagt Bauchef Rudo. Ab Anfang September soll der Mauerabschnitt am Vorwerk saniert werden. Die Kosten für die Reparaturen liegen bei rund 10 000 Euro.

Die außerplanmäßigen Bauarbeiten müssten sorgfältig vorbereitet werden, so der Baudezernent. Dazu haben Mitarbeiter des Bau-, des Ordnungs- und des Grünflächenamts gemeinsam mit Denkmalschützern das marode Bollwerk besichtigt.

Bevor die Bauarbeiten beginnen können, müssen noch alte Akten nach Hinweisen zum betreffenden Mauerstück durchforstet und die Finanzierung der Sanierung gesichert werden.

Alte Fugen benötigen speziellen Mörtel

"Wir haben die Struktur des mittelalterlichen Mörtels gründlich untersucht." Mittels dieser Mörtelanalyse wird festgestellt, wie und welcher moderne Mörtel zum historischen Material passt. "Normaler Mörtel würde den originalen in den Fugen nur noch stärker zersetzen," so Burkhard Rudo.

"Wie alle mittelalterlichen Kirchen und Häuser in Wernigerode wurde die Stadtmauer aus Rogenstein erbaut", erläutert der Experte. Dieser wurde direkt vor Ort abgebaut - etwa in der Steingrube. Doch die Vorkommen des besonderen Kalksteins in der Region seien inzwischen erschöpft. "Zum Glück verfügen wir über Rogenstein-Bestände als Ersatz von anderen Bauarbeiten." Damit sollen nun die bröckelnden Stellen erneuert werden.

Ein historisches Bauwerk wie die Wernigeröder Stadtmauer zu erhalten, sei eine Daueraufgabe, sagt der Baudezernent. Der marode Abschnitt sei besonders erhaltenswert, da er die historische Bauweise zeigt - und wird deshalb "in regelmäßigen Abständen renoviert", so Rudo. Anfang der 90er-Jahre wurde die Mauer hier größtenteils saniert. Dabei sei auch die mittelalterliche Mauerkrone abgedeckt worden, um von oben eindringende Feuchtigkeit abzuhalten.

Mit der Verleihung des Stadtrechts 1229 erhielt Wernigerode auch die Stadtmauer, weiß Burkhard Rudo. Das Bollwerk umschloss die gesamte Altstadt. "Neben der Verteidigung der Stadt diente die Mauer mit ihren 30 Türmen auch dazu, Händler, die in die Stadt kamen, zu kontrollieren."

Stadtmauer im 19. Jahrhundert abgerissen

Ende des 19. Jahrhunderts rückte die militärische Bedeutung des Bauwerks schließlich in den Hintergrund. "Wernigerodes Einwohnerzahl stieg rasant, die wachsende Bevölkerung benötigte mehr Platz."

Deshalb wurden die Wallanlagen - inzwischen teilweise verfallen und ein Hindernis für die weitere Entwicklung der Stadt - an den meisten Stellen abgerissen. Lediglich am Vorwerk und im Südosten blieben wenige hundert Meter der Mauer und die markanten Halbschalentürme erhalten. "Das ist dem Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode zu verdanken, der sich dafür einsetzte, einige der Wehrtürme und Mauerabschnitte als Denkmal zu bewahren", so Rudo.