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Volksstimme-Interview zur Gebietsreform mit Bernd Waßmus, Chef des Nordharzer Gemeinschaftsausschusses Erstaunlicher Gedächtnisschwund

09.05.2009, 05:42

Auf die Forderung des SPDPolitikers Brachmann, die Nordharzgemeinden sollen freiwillig mit Derenburg zusammengehen ( Volksstimme vom 2. Mai ), reagieren die Bürgermeister von Abbenrode, Heudeber, Langeln, Schmatzfeld, Stapelburg, Veckenstedt und Wasserleben mit einer gehörigen Portion Skepsis. Das bekräftigte Gemeinschaftsausschuss-Chef Bernd Waßmus im Gespräch mit Volksstimme-Reporter Tom Koch.

Volksstimme : Bedeutet dieses Quasi-Nein auch eine Absage an die Beratung mit SPD-Innenstaatssekretär Erben ?

Bernd Waßmus : Wir haben uns ernsthaft überlegt, ob es sinnvoll ist, zum bereits vierten Mal " eine konstruktive Lösung " fnden zu wollen. Dr. Brachmann will uns mit unterschwelligen Drohungen eine Reformlösung überstülpen, die den Interessen einer überaus deutlichen Mehrheit in unseren Gemeinden zuwiderläuft.

Volksstimme : Warum haben Sie mit den Derenburgern offensichtlich so ein Problem ?

Waßmus : Wir haben mit Derenburg gar kein Problem. Eher müssen sich die Derenburger selbst die Frage gefallen lassen, ob sie wissen, mit wem und was sie überhaupt wollen. Ich erinnere mich noch sehr gut an ihre Ablehnung : " Wir lassen uns nicht von einem Dorf regieren !" Die Beobachtung der Nordharz-Gemeinden ist, nachdem uns Derenburg zwangsweise zugeordnet wurde, dass es dort keinerlei Interesse gab, unsere nun größere Gemeinschaft konstruktiv weiterzuentwickeln.

Volksstimme : Weil die Derenburger stets in Richtung Ströbeck geschielt haben ?

Waßmus : Weil sie von Anfang an in der Person des SPD-Landtagsabgeordneten Brachmann – der im Übrigen wohl davon ausgeht, nur von Derenburgern gewählt worden zu sein – und des Staatssekretärs Herrn Erben Schützenhilfe dabei bekommen haben, dass sie mit der Harzvorland-Huy-Gemeinschaft zusammenkommen können. Diese Bestrebungen wurden von beiden Herren nicht nur unterstützt, sondern gar intensiviert. Und nun werden wir ausgerechnet von diesen beiden bedrängt, " freiwillig eine große Lösung " zu suchen ? Das nennen wir einen Husarenstreich.

Volksstimme : Wieso ?

Waßmus : Wir mussten in zwei solcher Beratungen erleben, dass die Herren Erben und Brachmann uns energisch gedrängt haben, Derenburg aus unserer Gemeinschaft zu entlassen. Um einer gedeihlichen Entwicklung der gesamten Nordharzregion nicht im Wege zu stehen, haben wir dann eingewilligt, dass Derenburg seinen eigenen Weg gehen kann.

Volksstimme : Ihrer Gemeinschaft würde dann jedoch die gesetzlich notwendige Einwohnzerzahl fehlen. Darauf hatte Ronald Brachmann im Volksstimme-Interview bereits verwiesen und angekündigt, Ihr Ausnahmeantrag habe wenig Aussicht auf Erfolg.

Waßmus : Diese Aussage ist ein weiterer Skandal. Man muss nämlich wissen, dass uns Herr Erben und Herr Brachmann versichert haben, sollten wir Derenburg ziehen lassen, würde unsere 8000 er-Einheitsgemeinde dennoch genehmigt. Weil unsere Gemeinschaft im Westen an Niedersachsen grenzt, würde es eine Ausnahmeregelung geben. Es ist schon erstaunlich, welche Ausmaße der Gedächtnisschwund mancher Politiker annehmen kann.

Volksstimme : Harter Tobak, etwa weil Sie bis zuletzt vom Scheitern dieser Gebietsreform überzeugt gewesen sind ?

Waßmus : Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Dem gesetzlichen Zwang gehorchend, wollen die Gemeinden Abbenrode, Heudeber, Langeln, Schmatzfeld, Stapelburg, Veckenstedt und Wasserleben eine Einheitsgemeinde bilden. Unser Ziel ist, die ländlich geprägte Region mit ihrem dörf ichen Charakter zu erhalten. Nun wäre es an der Harzvorland-Huy-Gemeinschaft und Derenburg nun ihrerseits, eine Einheitsgemeinde zu bilden. Die stets betonte starke Bindung scheint inzwischen nicht mehr so groß zu sein. Mehrere dieser Gemeinden haben sich inzwischen bereits gegen Derenburg entschieden.

Volksstimme : Und damit auf der Verwaltungslandkarte für einen weißen Flecken gesorgt.

Waßmus : Scheinbar wird wieder mal ein Dummer gesucht, um eine nur der Stadt Derenburg genehme Lösung durchsetzen zu wollen. Und in diesem Falle soll unsere Nordharzgemeinschaft dieser Dumme sein. Und damit das vielleicht sogar klappt, wird an die Adresse Abbenrodes und Stapelburgs erklärt, sie könnten sich auch in Richtung Ilsenburg orientieren. Ich sage es ganz deutlich, auch im Namen meiner sechs anderen Bürgermeister-Kollegen : Dieser Versuch, einen Keil zwischen uns zu treiben, wird scheitern.

Volksstimme : Herr Waßmus, Sie beklagen sich, die Einladung zum Gespräch mit dem Innenstaatssekretär am kommenden Montag zunächst aus der Zeitung erfahren zu haben. Ein Grund, dieses Treffen zu boykottieren ?

Waßmus : Alle Bürgermeister unserer Gemeinschaft mit Ausnahme von Reddeber und Derenburg haben am Donnerstagabend dazu beraten. Bis auf Abbenrode, dafür gibt es allein terminliche Gründe, werden wir nach Derenburg fahren.

Volksstimme : Um welche Position zu vertreten ?

Waßmus : Zunächst werden wir wohl die Herren Erben und Brachmann daran erinnern müssen, dass Derenburg eine Mitgliedsgemeinde unserer Verwaltungsgemeinschaft ist. Mitnichten also eine sich eigenständig verwaltende Einheit, die mit der Nordharz-Gemeinschaft irgendwie zusammengeführt werden müsste.

Volksstimme : Und das werden Sie am Montag betonen ?

Waßmus : Diesen Hinweis zu geben, scheint offensichtlich notwendig zu sein. Wir werden allerdings auch deutlich machen, dass Nachbargemeinden stets willkommen waren und sind, die zur gleichberechtigten Zusammenarbeit bereit sind. Partnerschaft auf Augenhöhe und die Bereitschaft zu Kompromissen sind jetzt stärker denn je gefragt. Von den bevorstehenden tiefen Einschnitten in die kommunale Selbstverwaltung sind wir schließlich alle gleichermaßen betroffen.

Volksstimme : Diese Einladung gilt auch für Derenburg ?

Waßmus : An alle, die keine überzogenen Forderungen stellen oder Alleinvertretungsansprüche für sich reklamieren wollen. Gerade das ist bei dem nun erforderlichen Weg des Zusammenwachsens einer neu zu bildenden Gemeinde völlig fehl am Platze.