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Der Glindenberger Ortsbürgermeister Alfons Hesse sieht den Hochwasserschutz über allem Ehrenamt ist die Blutbahn der Gesellschaft

03.01.2014, 01:05

Das Jahr 2014 ist ganz frisch und das alte noch nicht vergessen. Eine gute Zeit, um zurückzublicken und Hoffnungen für das Kommende zu entfalten. Volksstimme-Mitarbeiterin Gudrun Billowie fragte den Glindenberger Ortsbürgermeister Alfons Hesse (68) wie es um den einwohnerstärksten Ortsteil von Wolmirstedt steht.

Volksstimme: Herr Hesse, wenn Sie auf das Jahr 2013 zurückblicken, was sehen Sie?

Alfons Hesse: Das Hochwasser ist unser großes Thema. Darüber wird noch immer in jeder Runde gesprochen. Als die Sirenen heulten, die Evakuierung anstand, das ging durch Mark und Bein. Und wer einmal sein Haus verlassen musste, vergisst das nicht.

Volksstimme: Hat sich durch diese Beinahe-Katastrophe im Juni der Blick verändert?

Alfons Hesse: Der Hochwasserschutz ist eine existenzielle Frage. Alles andere ist sekundär. Wir haben aus dieser Situation gelernt, dass der Hoch- wasserschutz die öffentlichste aller Angelegenheiten ist.

Volksstimme: Hochwasserschutz ist Landessache. Als Ortsbürgermeister von Glindenberg haben Sie nur wenig Einflussmöglichkeiten auf Deichbau und Ausweisung von Polderflächen. Wie geht es ihnen damit?

Alfons Hesse: Wir haben es hier vor Ort erlebt, wie es sich anfühlt, wenn der Scheitel des Hochwassers durch ist, fast schon Entwarnung gegeben wird und dann reißt die Wunde am Deich auf. Nach dieser Erfahrung sage ich, wenn der Deich im Jahr 2014 nicht saniert ist, halte ich das für Politikversagen. Wenn hier so eine Not ist, halte ich es sogar für richtig, den Bund mit Sondervollmachten für den Hochwasserschutz auszustatten, damit schnell gehandelt werden kann.

Volksstimme: Wie haben Sie die Glindenberger Bürger während der Juni-Tage erlebt?

Alfons Hesse: Die Zeit des Hochwassers war ein Test auf die Solidargemeinschaft und die Glindenberger haben ihn bestanden.

Volksstimme: Wirkt sich das auf den Alltag aus?

Alfons Hesse: Womöglich ist die Dorfgemeinschaft näher zusammengerückt, aber das öffentliche Leben hat schon vorher gut funktioniert. Die ehrenamtliche Arbeit bildet die Blutbahn der Gesellschaft und die ist in Glindenberg sehr lebendig.

Volksstimme: Wo pulsiert diese "Blutbahn"?

Alfons Hesse: Im Stadtrat von Wolmirstedt sind fünf Bürger aus Glindenberg vertreten und das ist bei Entscheidungs- prozessen sehr hilfreich. Ich hoffe, dass diese Zahl auch nach den Kommunalwahlen im Mai mindestens so bleibt. Weiterhin sind viele Bürger in der Feuerwehr aktiv, singen im Chor oder kommen in Sportvereinen zusammen. Aber ich möchte auch Ruth Plate erwähnen, die ihren Hof stets für Dorffeste zur Verfügung stellt.

Volksstimme: Wie heißen die großen Ziele für 2014?

Alfons Hesse: Es ist unendlich wichtig für uns, die Kinder- betreuung zu sichern, damit sich hier noch mehr Familien ansiedeln. In diesem Zusammenhang nenne ich den Ersatzneubau der Kindertagesstätte, der in diesem Jahr fertig gestellt werden soll. Glindenberg gehört zu den Gemeinden, die seit der Wende ihre Einwohnerzahl gut verdoppeln konnten. Hier leben jetzt rund 1400 Menschen. Selbst nach dem Hochwasser wurden fünf neue Eigenheime gebaut.

Volksstimme: Sobald die Kinder in das neue Kita-Gebäude einziehen, steht das alte leer. Gibt es für diese Gemäuer Pläne?

Alfons Hesse: Fast alle Vereine interessieren sich für das Gebäude. Die Sportler würden dort gerne Räume nutzen, die Jugend kann sich dort treffen und auch die Senioren haben Interesse signalisiert, allein deshalb, weil sie dann nicht mehr die Stufen zum jetzigen Versammlungsraum der Sportler bezwingen müssen. Wenn es uns gelingt, diese Räume weiterhin mit Leben zu füllen, wird es einen Qualitätssprung im Vereinsleben geben. Außerdem würde ich dort gerne das Büro des Ortsbürgermeisters ansiedeln. Bisher nutze ich dafür unser Wohnzimmer.

Volksstimme: Am 25. Mai sind Kommunalwahlen. Wird Alfons Hesse danach wieder Ortsbürgermeister sein?

Alfons Hesse: Um ein Ehrenamt bewirbt man sich nicht, das wird einem angetragen. Ein Ortsbürgermeister wird aus der Mitte des Ortschafts- rates gewählt. Es ist also nicht die Zeit, darüber zu reden.

Volksstimme: Sind Sie gern Ortsbürgermeister?

Alfons Hesse: Ja. Ich sehe in diesem Ehrenamt die Möglichkeit, wenn es einem selber gut geht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Außerdem bin ich aus meinem Berufsleben und meiner jetzigen Funk- tion als Verbandsvorsteher des Unterhaltungsverbandes "Untere Ohre" gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen und Versammlungen zu leiten. Ich habe das immer gern getan und tue es noch gern.

Volksstimme: Gab es Phasen, in denen Sie nicht gerne Ortsbürgermeister waren?

Alfons Hesse: Am 9. und 10. Juni, dem Hochwasserhöhepunkt, und am Tag des Deichrutsches. Da war ich im Grunde genauso hilflos, wie alle anderen und habe mich schon manchmal gefragt, warum tue ich mir das an.

Volksstimme: Wie soll sich das Gesicht Glindenbergs im kommenden Jahr verändern? Gibt es einen Wunschzettel?

Alfons Hesse: Die Wolmirstedter und Rothenseer Straße sind kaputt. Hier wünsche ich mir einen grundhaften Ausbau. Außerdem möchten die Glindenberger gern eine Urnengemeinschaftsanlage haben. Auch die Trauerhalle auf dem Friedhof wäre eine Renovierung wert. Im Umfeld von Glindenberg wünsche ich mir eine bessere touristische Erschließung des Wasserstraßenkreuzes.

Volksstimme: Was gefällt Ihnen an Glindenberg besonders?

Alfons Hesse: Glindenberg hat eine ungeheure Bauvielfalt. Kein Haus gleicht dem anderen. Auch diese Möglichkeit zur Selbstverwirklichung lockt sicherlich Menschen an, gerade hier, in diesem Ortsteil, zu leben.