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Landkreis sieht die zentrale Lage einer Gemeinschaftsunterkunft als bedeutsam an Asylbewerber sollen Ärzte, Kitas und Ämter erreichen können

Von Gudrun Billowie 12.07.2014, 03:21

Wolmirstedt l Die Möglichkeit, dass es in Wolmirstedt in Zukunft eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber geben könnte, hat zu Diskussionen in der Bevölkerung und im sozialen Netzwerk Facebook geführt. Ob es dazu kommt, ist fraglich. Fakt ist jedoch, dass es eine zunehmende Zahl von Asylsuchenden gibt und damit auch der Landkreis Börde in der Pflicht ist, die zugewiesenen 30 Flüchtlinge pro Monat aufzunehmen. Ob die Unterkunft das Ende 2015/Anfang 2016 leergezogene Landratsamt sein könnte oder ein anderes Gebäude ist offen.

"Wolmirstedt ist auch nicht die einzige Stadt, die für eine Gemeinschaftsunterkunft in Frage kommt", sagt Iris Herzig, Fachbereichskoordinatorin für Soziales und Verbraucherschutz im Landkreis, "wir schreiben demnächst aus und da kann sich jeder bewerben." Allerdings schauen die Verantwortlichen im Landkreis danach, ob für die Asylsuchenden die Teilnahme am öffentlichen Leben möglich ist. "Schule, Kita, Ärzte und Vereine sollten gut zu erreichen sein", sagt Iris Herzig, "wir legen Wert auf eine zentrale Lage."

Außerdem sollte das Objekt den Mindestanforderungen entsprechen. Für jeden Bewohner müssen unter anderem ein Bett, ein Schrank, eine Lichtquelle, ein Abfalleimer und eine Verdunkelungsmöglichkeit vorhanden sein. Die Zimmer sollten mit nicht mehr als vier Personen belegt sein. Jeder Person stehen sieben Quadratmeter zu.

In Gemeinschaftsunterkünften leben Menschen verschiedener Nationen und Kulturen auf engstem Raum zusammen. "Zu uns kommen derzeit viele Inder", sagt Iris Herzig, "aber auch Menschen aus Afrika, Asien, dem Balkan oder Afghanistan."

Damit sich die Menschen in den Behörden und Ämtern zurechtfinden oder ihre Kinder in der Schule anmelden können, müssen Sozialarbeiter vorhanden sein. "Eine halbe Stelle pro 50 Bewohner ist gefordert", sagt Iris Herzig. Weiterhin müssen ein Hausmeister und Reinigungspersonal vorgehalten werden. "Manche Asylsuchende bleiben bis zu vier Jahren in den Gemeinschaftsunterkünften", sagt Iris Herzig. Das sei dem Asylverfahren geschuldet. Das Bundesamt prüft, ob die Flüchtlinge unter den Asyl- oder den Flüchtlingsstatus fallen. Wirtschaftsflüchtlinge werden noch einmal gesondert betrachtet. "Sie müssen nach Hause zurück", so Iris Herzig. Erfahrungsgemäß bekommen nur 30 Prozent der Asylsuchenden ein Bleiberecht.

Solange der Status nicht geklärt ist, leben Asylsuchende hier mit dem Status der Duldung. "Das bedeutet beispielsweise, sie dürfen nicht arbeiten gehen", erklärt Iris Herzig. Ohne Aufgabe den Tag zu meistern tut den meisten Menschen auf Dauer nicht gut. "Sie können sich allerdings ehrenamtlich engagieren", sagt die Landkreismitarbeiterin, "vielleicht gibt es ja Vereine, die sich über Hilfe freuen." Die Sozialarbeiter sollen die Kontakte vermitteln.

Bürgermeister Martin Stichnoth (CDU) nimmt zu einer möglichen Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt eine klare Haltung ein. "Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und ich sehe, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden müssen." Konkrete Gespräche mit dem Landkreis gebe es bisher nicht. "Tritt der Landkreis an mich heran", so Stichnoth, "bin ich genauso gesprächsbereit wie alle anderen Bürgermeister auch. Und sollte hier eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen, müssen wir über Integration reden."

In Wolmirstedt wird dieses Thema noch in der Möglichkeitsform behandelt, von denen, die hier zu Hause sind. Margarete Voigt hingegen hat am eigenen Leibe gespürt, was es heißt, Flüchtling zu sein. Die 76-Jährige wurde als Neunjährige aus Ostpreußen vertrieben. "Wir sind 1945 über das Haff gegangen", erzählt sie, "dabei ist mein Vater verstorben." Es dauerte, bis die Familie eine neue Heimat gefunden hatte. "Von 1945 bis 47 waren wir in einem Gestüt interniert", erzählt die Wolmirstedterin, "es gab Übergriffe, Schlägereien, ich habe gesehen, wie meine Tante verprügelt wurde." Als sie dann hier in der Gegend ankam, blieb es schwer. "Als Nazischweine wurden wir aus Ostpreußen vertrieben, hier wurden wir als Polaken beschimpft."

Längt ist Margarete Voigt in Wolmirstedt heimisch. Aber sie hat nicht vergessen, wie es sich anfühlt, Flüchtling zu sein. "Ich wünsche Asylsuchenden, dass nicht so viele so eng beieinander in einer Unterkunft wohnen", sagt sie.

Im Landkreis Börde gibt es eine Gemeinschaftsunterkunft in Harbke mit 150 Plätzen, ab September wird die zweite in Haldensleben bezogen. Die Einrichtung einer dritten eilt.