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Traktor fahren und Heu ernten

Von Gudrun Billowie 06.07.2015, 19:21

Ein Sommerfest feierten Kinder und Betreuer der heilpädagogischen Lebensgemeinschaft in Mose.

Wolmirstedt l Shawn ist 17 Jahre alt und darf Traktor fahren. Überhaupt liegt ihm die körperliche Arbeit. Den Rasen mäht er jedenfalls ganz hingebungsvoll. Dabei hat Shawn, wie die anderen Kinder der heilpädagogischen Lebensgemeinschaft, schon eine beunruhigende Geschichte hinter sich. "Kinder und Jugendliche, die bei uns leben, haben schon woanders Sozialverhalten gelernt, im Ausland oder auf einem Schiff", sagt Silke Horstmann. Die Heilpädagogin hat diese Wohngemeinschaft auf dem elterlichen Grundstück aufgebaut und im August 2013 eröffnet. Träger ist das Kinderheim "Haus des Kindes" der Wildfang GmbH.

Die Jugendlichen seien in ihrem Umfeld nicht zurechtgekommen, erklärt Silke Horstmann, waren zum Teil bedrohlich für andere. Deshalb haben sie ein paar Monate fernab der Zivilisation gelebt, in kleinen betreuten Gruppen. Sie sollten ein geregeltes Leben kennenlernen. Shawn beispielsweise war acht Monate mit dem Schiff an der Ostseeküste vor Litauen, Lettland und Estland unterwegs. Andere Jungs haben eine Zeitlang in kleinen Orten in Polen oder Rumänien gelebt, betreut von Heilerziehern. Im ländlichen Umfeld sollen sie fernab tobender Zivilisation zur Ruhe zu kommen. "Anschließend kommen diese Jugendlichen zu uns", sagt Silke Horstmann, sie werden vom Jugendamt eingewiesen. Neben den sieben Buben in Mose leben drei weitere Jungs in einer weiteren Wohngruppe in Farsleben. Fünf Mitarbeiter betreuen die Jugendlichen rund um die Uhr, der Kontakt zum Jugendamt, zu den Eltern und zu den Schulen ist eng. Wolmirstedt mit seinen verschiedenen Schulformen bietet gerade für "ihre" Kinder die ideale Umgebung.

Jungen brauchen Beschäftigung

"Wir arbeiten in der Wohngemeinschaft nach einem fest strukturierten Tagesplan", sagt Silke Horstmann. Das gebe den nötigen Halt. Wer Hilfe beim Lernen braucht, bekommt sie. "Manche Kinder können noch nicht gut lesen und schreiben", sagt die Heilpädagogin, die vorher in einem ähnlichen Zentrum in Burg gearbeitet hat.

Wichtig sei die Freizeitbeschäftigung der Jungs. Für alle ist das naturnahe Leben hilfreich, es erdet, aufkeimende Aggressionen können in positive Energie gelenkt werden. Die Horstmanns haben zwei Galloway-Rinder angeschafft, es gibt Hühner und Pferde. "Die Kinder kümmern sich um die Tiere, sind fasziniert von den Küken und helfen beim Heu machen", sagt Silke Horstmann. Sie sind beim Schlachten dabei, die selbstgemachte Wurst steht für alle auf dem Tisch. Zusammen mit Herrn Horstmann haben sie große Baumstämme aus dem Wald geholt und daraus eine Veranda gebaut. Bei allen Ausbau-, Umbau- und Verschönerungsmaßnahmen werden die Jungs eingebunden. Das Gelände, auf dem die heilpädagogische Wohngemeinschaft lebt, liegt direkt am Ortseingang neben der B189 liegt und bietet noch viele Möglichkeiten.

"Unser Ziel ist es, dass die Jugendlichen mit 18 Jahren aus unserer Wohngruppe in ein selbstständiges Leben entlassen werden", formuliert die Heilpädagogin. Sie sollen eine Ausbildung machen, mit Geld umgehen können und auch wissen, dass sie Impfungen brauchen. Der Kontakt bleibe trotzdem bestehen, die Jugendlichen werden weiter ins Leben begleitet. "Mit 18", sagt Silke Horstmann, "möchte noch niemand allein in der Welt stehen."