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Dr. Wilfried Lübeck zur Informationsveranstaltung der Kulturhistorischen Gesellschaft Stifterfigur am Schäfertor ist nicht der Heilige Benedikt, sondern der Abt Eckbert Vischer

Von Regina Malsch 07.02.2011, 04:32

Die Geschichte des Schäfertores und seiner gerade aufwendig sanierten Stifterfiguren muss möglicherweise neu geschrieben werden. Nach historischen Dokumenten scheint es bewiesen, dass nicht der Heilige Benedikt und Graf Diederich II, wie bislang angenommen, sondern zwei ganz andere Persönlichkeiten der Geschichte des Ortes in Stein geschlagen wurden. Dr. Wilfried Lübeck gab vor den verblüfften Besuchern der Informationsveranstaltung die Erkenntnisse seiner Nachforschungen bekannt.

Groß Ammensleben. "Bei der linken Mönchsfigur handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Abt des Klosters Groß Ammensleben, Eckbert Vischer aus Münster, geboren in Bokoloh, und nicht um den Heiligen Benedikt oder Mauritius wie bislang angenommen." Mucksmäuschenstill war es am Donnerstagabend im Informationszentrum auf der Domäne, als Historiker Dr. Wilfried Lübeck seine Erkenntnisse erstmals öffentlich machte. Der Groß Ammensleber war im Archiv in Magdeburg auf Dokumente gestoßen, die dies beweisen sollen. Unstrittig ist, dass das Schäfertor – ältestes profane Tor im Altkreis Wolmirstedt – in den Jahren 1520 bis 1524 gebaut wurde. Bereits 1518 war Eckbert Vischer im Kloster Groß Ammensleben Abt geworden. Nach den alten Schriften, so Dr. Lübeck, hat er sehr viel für das Kloster getan, dass unter seiner Leitung wieder zur Blüte gelangte. Vischer, ein Gegner Luthers, war in politisch unruhigen Zeiten tätig. Wegen seiner Überzeugung hatte er sich in den umliegenden Dörfern wie in Meseberg Feinde gemacht. Dass die ihm sogar mit dem Tod drohten, war aus einer Geschichte zu erfahren, die Lübeck vorlas.

Vischer hatte den Umbau des Klosters vorangetrieben und war später verantwortlich für sämtliche Schlösser und Kloster im Erzbistum Magdeburg. "Das beweist, dass er ein guter Baumeister und eine anerkannte Persönlichkeit der Geschichte war", so Dr. Lübeck. 200 Jahre später wurde sein Ruhm in Stein gehauen. Dass er mit Mitra und Bischofsstab dargestellt wurde, sei als besondere Auszeichnung zu verstehen, sagt der Historiker. Dem Abt zur Seite steht als zweite Statur im Tor ein Ritter. Es soll sich laut Lübeck um Graf Hermann von Ammensleben, der Groß Ammensleben das Kloster gestiftet hat, handeln, dargestellt in Ritterrüstung. Bislang hatte man vermutet, dass Graf Diederich II. dargestellt wurde.

Korrekturen geplant

Rüdiger Pfeiffer, Vorsitzender der kulturhistorischen Gesellschaft, wie alle Besucher der Veranstaltung von den Geschichts-News überrascht, bedankte sich bei Dr. Lübeck und meinte, dass die Forschungsergebnisse "auch ein Beweis dafür sind, welch historisches Bewusstsein im 1800. Jahrhundert herrschte". Zur 1050-Jahr-Feier Groß Ammenslebens in vier Jahren wird es in einer neuen Festschrift Korrekturen zur Geschichte der Stifterfiguren geben. Ansonsten werde wie bisher alles unternommen, um das Schäfertor als nördlicher Eingang zum ehemaligen und späteren preußischen Domäne wieder vollständig zu sanieren.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte sich Pfeiffer bei allen bedankt, die dieses Vorhaben bereits mit Rat und Tat sowie Spenden unterstützt haben. Seit dem 1. November 2010 sind die beiden Stifterfiguren in neu gewonnener Frische und Lebendigkeit in ihre Nischen im Tor zurückgekehrt. Auch der Wappenstein dazwischen erstrahlt in neuem Glanz. Dafür waren, so informierte Vorstandsmitglied Eva-Maria Isensee, über 15000 Euro aufzubringen. Aus dem LEADER-Programm kamen 9500 Euro, den Rest musste der Verein selbst aufbringen. "Wir können wirklich stolz sein, dass uns das bis auf eine kleine Restsumme von 228 Euro gelungen ist", betonte sie und zählte akribisch auf, durch welche Aktionen und Einzelspender das Geld zusammenkam.

Ganz besonders herzlich begrüßt wurde Robert Hütter von der gleichnamigen Steinmetzfirma aus Haldesleben, dem die Groß Ammensleber die Figuren anvertraut hatten. Bevor Hütter mit Hilfe von Bildern, die den beklagenswerten Istzustand und die Verwandlung nach der Sanierung im Detail zeigten, Einblicke in die Arbeit der Steinmetze gab, reagierte er auf den Lübeck-Vortrag. "Ich kann mir das gut vorstellen. Das passt historisch alles."

Ummendorfer Sandstein

Hütter geht davon aus, dass der Sandstein aus Ummendorf stammt und von für die Zeit typischen wandernden Steinmetzen bearbeitet wurden. In Abstimmung mit dem Auftraggeber wurde sehr behutsam saniert, um den Charme der alten Figuren zu erhalten. Notwendig war Reinigung, Festigung, Formergänzung und Lasur, um die Kunstwerke vor Witterung zu schützen. Das Ergebnis hat bereits viel Beifall bekommen, zumal der Ritter alias Graf Hermann jetzt wieder ein Gesicht hat und der Abt nun wieder auf zwei Füßen steht. "Wir sind damit in Groß Ammensleben um ein Kleinod reicher", sagte Pfeiffer. Daran soll weiter gefeilt werden, weil das "Erscheinungsbild historisch noch nicht korrekt ist." Unter anderem sind die das Tor krönenden Schmuckvasen noch unsaniert, durch ein fehlendes Fenster ist die Symmetrie beeinträchtigt, das Dach muss geflickt werden, der Durchgang ist wegen Baumängeln mit einem Holztor gesperrt. Ziel ist, die Blickachse zur Kirche wieder zu schaffen. Außerdem muss die Inschrift in der Kartusche noch vollständig entschlüsselt werden. Viel Arbeit wartet also noch auf den Verein.