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Heinz Florian Oertel liest in der Museumsscheune / Sein Wegbegleiter " Täve " Schur war mit dabei Zwei Ikonen des DDR-Sports erinnern sich

Von Claudia Labude 31.05.2010, 04:50

Was die 180 Besucher am Freitagabend in der Museumsscheune erwarteten, das stand auf ihren Eintrittskarten. Eine Lesung von und mit Heinz Florian Oertel, organisiert vom " Schranke " -Verein und dem Arbeitskreis Kultursommer. Was die Zuhörer bekamen ? Einen unterhaltsamen Abend mit zwei Ikonen des Sportes, war doch auch Gustav Adolf " Täve " Schur nach Wolmirstedt gekommen.

Wolmirstedt. Wenn einer der bekanntesten und populärsten Sportreporter der ehemaligen DDR zu einer Lesung bittet, ist es keine Überraschung, wenn diese einem Sportereignis ähnelt. Und so konnte man auch die Veranstaltung mit Heinz Florian Oertel am Freitagabend in zwei Halbzeiten trennen.

In der ersten teilte sich Oertel die Bühne mit seinem Freund und Wegbegleiter, dem zweifachen Friedensfahrtgewinner und mehrfachen Weltmeister, Gustav-Adolf " Täve " Schur. Der Profi -Radsportler erinnerte sich, genau wie viele im Publikum, die damals zuschauten, an die Zeiten der Friedensfahrt und antwortete auf die Frage von Moderator Wolfgang Buschner, wieso er 25 Jahre nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn zum " beliebtesten DDR-Sportler aller Zeiten " gewählt wurde.

" Die Leute haben damals das Geld für die Förderung von Profisportlern wie mir mitverdient, wofür ich mich heute noch bedanken möchte ", so der 79-Jährige, dessen Frau Renate ihn nach Wolmirstedt begleitet hatte und in der ersten Reihe saß. " Und wenn du dann erfolgreich warst und nicht abgehoben bist, dann konnten sich die Leute damit identifi - zieren. Unsere Erfolge waren auch deren Erfolge - und es war einfach unsere Zeit damals ", versuchte er, seine Beliebtheit zu erklären. Heute fährt er noch immer zwischen 60 und 70 Kilometern Rad am Wochenende. Profi rennen verfolgt er nur noch als interessierter Zuschauer vom Straßenrand aus, will in diesem Jahr nochmal mit Bus zur Tour de France reisen.

Ohne Sport geht es natürlich auch bei Heinz Florian Oertel nicht, der die zweite Halbzeit alleine bestritt. Der 83-Jährige überzeugte nicht nur durch seine geistige und optische Jugend. Er bewies auch anschaulich, dass er einige Zeit als Schauspieler und Lehrer agierte. Denn gelesen wurde bei der Lesung kaum. Aber das störte wohl niemanden im Publikum. Die zahlreichen Besucher waren froh, der Sport-Stimme des Ostens mal live zu lauschen, schlossen teilweise die Augen, während er sprach. Sein rollendes " R ", die Betonung der Wörter, die beim Zuhören einen Spannungsbogen aufkommen ließ – ja, das kam vielen Besuchern aus früheren Zeiten noch bekannt vor. Eine spontane Umfrage von Oertel im Publikum ergab, dass die Zuhörer ebenfalls zum überwiegenden Teil das Rentenalter erreicht haben. Sie kennen ihn also aus seinen aktiven Berufsjahren, erinnern sich an die berühmte " Waldemar " -Ansprache an " alle jungen und angehenden Väter ", die ihre Söhne nach Waldemar Cierpinski benennen sollte, als dieser die Goldmedaille bei Olympia holte.

Oertel schilderte, wie er damals krampfhaft überlegte, was er außer " Bravo " zu dem Erfolg von Cierpinski sagen könnte, während der Läufer dem Ziel immer näher kam. Das Lied " er hieß Waldemar, weil es im Wald geschah ", sei ihm dann 100 Meter vor dem Olympiagewinn als Geistesblitz in den Kopf gekommen und ließ seinen Kommentar unvergesslich werden.

In der Museumsscheune suchte der Reporter den Kontakt zu den Menschen. Und so kam es, dass Oertel gar nicht so Unrecht hatte, als er die Wolmirstedter die " Sizilianer Sachsen-Anhalts " nannte. Die Zuhörer erzählten Witze, stellten Fragen, es gab sogar Zwischenrufe. Jetzt, bei seinen Lesungen, kann der Reporter auch ohne Probleme überziehen. Das tat er auch am Freitag gern, signierte zum Abschluss noch seine Bücher, die ihm die Wartenden aus einer langen Schlange entgegenreckten.