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Requisiten stammen überwiegend aus den privaten Beständen Neun Familien erinnern im Festumzug an die Ankunft der Flüchtlinge in der Stadt

Von Gudrun Billowie 18.06.2009, 09:43

Noch vier Tage, dann startet der große Festumzug zur 1000-Jahr-Feier. Wie viele Leute sich wirklich daran beteiligen, wird sich am Sonntag zeigen. Auf jeden Fall ist ein " Flüchtlingstreck " dabei.

Wolmirstedt. Die Stadtleben erscheint an den Wochentagen dieser Jubiläumswochen verdächtig normal. So, als würde es keine 1000-Jahr-Feier geben. Doch der Schein trügt. Hinter Hofmauern und Garagentoren wird eifrig gestöbert, gesammelt, gebastelt, gepackt. Einen Blick hinter die Kulissen zu erhaschen, ist ein echter Glücksfall. Auch Familie Gille öffnet ihr Garagentor nur sehr zögerlich. Denn eigentlich möchten sie ihren Schatz noch niemandem zeigen. " Wir können doch nicht schon im Vorfeld alles verraten ", sagt Karola Gille und möchte ihr Kostüm um gar keinen Preis hervorholen. Doch die Geschichte um den " Flüchtlingstreck " herum entpuppt sich als spannend und ist weit mehr, als die bloße Kostümierung.

" Als wir gehört haben, dass noch Flüchtlinge gesucht werden, haben wir uns sofort für dieses Bild entschieden ", sagt Jürgen Wolniczak. Der Grund für diese spontane Zustimmung liegt in seiner Biograf e. " Ich wurde 1945 auf der Flucht geboren ", erzählt der Glindenberger. " Meine Mutter ist mit meinen drei Geschwistern an der Hand und mit mir im Bauch von Breslau gef üchtet. Unterwegs kam ich zur Welt. " Viele Kinder haben es nicht bis in die neue Heimat geschafft, auch diese traurige Tatsache ist den " Flüchtlingsdarstellern " bewusst. Mutter Wolniczak brachte jedoch alle vier Kinder gut bis nach Glindenberg, und die Familie ist dort bis heute geblieben. " Wir haben zu fünft ein Zimmer bewohnt, und als mein Vater aus dem Krieg kam, waren wir sechs. " Eine eigene Wohnung bekam die Familie erst später.

Natürlich kann sich Jürgen Wolniczak an diese Zeit nicht mehr erinnern, aber in seiner Familiengeschichte war sie ständig präsent. Ebenso Koffer und Taschen, die auf der Flucht das wenige Hab und Gut zusammenhielten. Nur Karren gab es nicht mehr. " Die beiden Flüchtlingskarren hat uns die Familie Schmidt vom Küchenhorn überlassen ", erzählt Jürgen Wolniczak.

Zurzeit stehen die Gefährte in der Garage der Familie Gille in Wolmirstedt. Dort haben sich auch die anderen Familien versammelt, die im Treck mitlaufen. Sie kommen aus Mose, Jersleben, Wolmirstedt und Glindenberg.

" Eigentlich kennen wir uns alle gar nicht ", erzählen die Frauen. Die Paare wollten beim Festumzug mitmachen, fragten im Museum bei Anette Pilz nach dem Bedarf, und auf diese Weise haben sich 16 Leute zusammengefunden. Dann begann die Suche nach Requisiten und Kostümen. " Es stammt alles aus eigenen Beständen ", erzählt Karola Gille. Koffer, Taschen, Hüte und Stricke lagerten in Kellern und Scheunen und werden nun zum Festumzug würdig präsentiert.