1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wolmirstedt
  6. >
  7. Historische Technik, Kultur und Kulinarisches

Mühlenbesucher lassen sich von Regenschauern nicht abhalten Historische Technik, Kultur und Kulinarisches

Von Constanze Arendt, Carina Bosse, Klaus Dalichow, Klaus Lehmann und Marita Bullmann 25.05.2010, 05:19

Immer wieder öffneten sich gestern die Himmelsschleusen, und der Regen fiel in großen Mengen. Doch die Mühlenfreunde ließen sich nicht verdrießen. Mühleninhaber, Mühlenbetreuer und Mühlenvereine hatten sich lange auf den Deutschen Mühlentag vorbereitet, und die Besucher dankten ihnen dafür mit ihrem Interesse.

Landkreis Börde. Im Südosten in der Ferne leuchtet der Himmel hell. Hoffnung, dass sich das Wetter doch noch bessert. 40 Minuten nach Veranstaltungsbeginn ist an Auerbachs Mühle vor den Toren Wolmirstedts ein tüchtiger Landregen runtergegangen. Die Frösche im mühlennahen Tümpel quaken vor Freude. Landhauswirtin Ursula Pankonien ist nicht nach Frohsinn zumute. "Wasser von oben und von unten", ist sie genervt. Die viele Feuchtigkeit der letzten Tage hat das Kaminzimmer des kleinen Hotels und andere Räumlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen. Für das Mühlenfest gestern ab der Mittagstunde hatten sie und ihre Helfer den Biergarten vorsorglich mit einer Plane überzogen und alle verfügbaren Gartenpavillons als Regenschutz herbeigeschafft.

Familie Hennig aus Farsleben hat vor dem Landregen im Innern der Bockwindmühle Schutz gesucht. Eike und Katrin Hennig und Söhnchen Valentin, sechsjährig, kommen häufig zum Mühlenfest auf die windige Anhöhe an der westlichen Peripherie der Stadt. Für Eike Hennig ist es immer wieder spannend, den "Veteranen" des Erfindergeistes in Augenschein zu nehmen. Trotz stattlicher 168 Jahre auf dem Buckel ist Auerbachs Mühle auf ihrem "Bock" (eigentliche Lagerung für das Mühlenhaus) noch gut beeinander. Ihr Innenleben ist – das hat auch Familie Hennig festgestellt, als sie die Treppe auf der Rückseite hinaufstieg – mit Mahl- und Schrotgang, Walzenstuhl und Schrollenzylinder nahezu komplett erhalten. Nach fortschreitendem Verfall ist das Denkmal Anfang der 80er Jahre erst notgesichert und dann zwischen 1992 und 1994 umfassend restauriert worden.

Zu diesem Zeitpunkt entstand auch das kleine einladende Hotel. Die Mühlenwirtin und ihre "guten Geister" scharen das Volk zweimal im Jahr um das Jalousieflügelkreuz – Pfingstmontag zum Deutschen Mühlentag und im September, wenn das Landhaus seinen Geburtstag feiert. An diesen Tagen gibt es Musik (gestern handgemacht vom Duo "Hoahnenfoot" aus der Altmark) und tänzerische Unterhaltung. Mit frisch gebackenem Brot (mindestens sechs Sorten), Eierschecke und anderem Kuchen, mit Bärentatzen (Buletten) vom Grill und Schwarzbierfleisch aus dem Topf ist für Magenfutter gesorgt.

"Wenn es nicht läuft, dann läuft der Müller"

<6>Mit dem Wetter hadert Familie Meißner gestern weniger. Die Gäste, die in ihre funktionstüchtige Motormühle in Althaldensleben kommen, sind im Trockenen. Bruno Meißner ist 74, hilft aber seiner Tochter Sabine, die die Mühle mit dem Futtermittelhandel zu Jahresbeginn übernommen hat, immer noch mit. Die Mühle ist sein Leben, und das merken die Gäste, die sich gestern des Öfteren in den engen Räumen drängen müssen, ganz deutlich.

<7>Immer wieder führt er die Leute über die verschiedenen Etagen, erzählt, wie sein Vater 1929 mit der Mühle angefangen hat. Nur der vordere Teil der Mühle, zweieinhalb Etagen mit Spitzdach, stand damals. Sein Vater habe immer wieder angebaut, doch seinen Traum, eine Windkraftanlage zu betreiben, konnte er nicht erfüllen, die Währungsreform machte ihm 1948 einen Strich durch die Rechnung.

<8>Bruno Meißner erzählt auch, wie die Mühlentechnik funktioniert und wie er sich nach der Wende, als es aus war mit der Müllerei, mit einem Futtermittelhandel wieder eine Existenz aufgebaut hat.

Die Besucher stellen viele Fragen, wollen wissen, wie das mit den Bürsten funktioniert, die die Siebe reinigen, ob es auch mal Verstopfungen gibt. "Wenn es nicht läuft, dann läuft der Müller", sagt der Müllermeister schmunzelnd und holt zu neuen Geschichten aus.

Das Programm an der Mühle zwischen Lindhorst und Colbitz ist schon ein wenig mehr auf Jubiläum ausgerichtet. Der Mühlenverein Lindhorst-Colbitz feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen, und hat deshalb auch ein paar besondere musikalische Unterhaltungspunkte aufgefahren. Neben dem heimischen Chor und der hier schon bekannten Big-Band der Universität in Magdeburg vertreiben auch die Barden von Liebstöckl sowie John Simmens die nahenden Regenwolken.

Ihre Musik ist sogar bis in das Mühleninnere zu hören, in das viele den Aufstieg wagten. Und hier bewegten sich nicht nur die Zahnräder, die über das sich drehende Flügelkreuz von draußen angetrieben wurden. Auch das Stöbern in alten Dokumenten wie den Auszügen aus dem Arbeitsbuch von Mühlenbesitzer Gottfried Knochenmuß aus den Jahren von 1862 bis 1870 ist möglich.

Unterdessen herrscht im Backhaus und in der Mühlenscheune rege Betriebsamkeit. Die fleißigen Mitglieder des Mühlenvereins kümmern sich mit frischem Kuchen aus dem Mühlenofen, deftigen Käse- und Fischbrötchen, Bratwurst und kühlen Getränken um das leibliche Wohl der Gäste, die sich trotz der Regenwolken traditionell zur Mühle aufgemacht haben. "Ich möchte mich nicht nur für den heutigen Tag, sondern für die gesamten 20 Jahre bei allen bedanken, die uns fleißig unterstützt haben. Hätte wohl damals niemand gedacht, dass wir mal so weit kommen", so Friedhelm Sienholz, Vorsitzender des Colbitz-Lindhorster Mühlenvereins.

Seit 1995 öffnet Hans Bäthge zum Deutschen Mühlentag alljährlich die Allermühle in Morsleben, die er betreut. Auch gestern stellten sich viele Besucher ein. "Da waren heute früh richtige Mühlenfans da. Die haben sich ehrlich gefreut, dass hier noch alles intakt ist", erklärte er. Trotz extrem schlechter Witterungslage fanden über 200 Besucher den Weg in die alte Kornmühle. "Ich kann mich nur bedanken, dass doch noch so viel Menschen hierher gefunden haben. Aber das Wetter lässt sich ja nun mal nicht ändern", sagte er. Was in den Jahren zuvor auf dem Hof und hinter der Mühle stattfand, fiel in diesem Jahr buchstäblich ins Wasser.

"Andere haben eine Modelleisenbahn im Keller"

Zeitweise regnete es so stark, dass der gesamte Innenhof unter Wasser stand. Aber im Inneren tuckerte der Diesel, trieb die unterschiedlichsten Teile der Mühle an und erstaunte die Besucher. "Andere haben halt eine Modelleisenbahn im Keller, ich habe dafür diesen Motor und meine Mühle", erklärte Bäthge schmunzelnd einigen Gästen. Traurig ist der 70-jährige Mühlenfan nur darüber, dass es für ihn keinen Nachfolger gibt. "Wenn ich das hier mal nicht mehr kann, wird die Mühle wohl geschlossen. Bis dahin werde ich sie aber erhalten, auch wenn sie sehr viel Unterhaltung benötigt", meinte er.

Der sorgenvolle Blick zum Himmel ließ die Mitglieder des Flechtinger Heimat- und Mühlenvereins skeptisch werden. Dreimal haben sie bereits am Vormittag die Bierzeltgarnituren trocken wischen müssen - und immer wieder kamen neue Schauer hinzu, doch pünktlich zum Beginn um 13 Uhr schloss Petrus die Regenschleusen und ließ die Sonne auf die Flechtinger Wassermühle herabscheinen. Die Besucher strömten in Scharen aus allen Himmelsrichtungen herbei.

Die Allertaler Blasmusikanten, erstmals in Flechtingen dabei, hatten vorsichtshalber unter dem schützenden Zeltdach ihre Instrumente und Technik aufgebaut, um mit Blasmusik zu unterhalten. Dazu traten die Jagdhornbläser der Jägerschaft Haldensleben und der Forstchor Flechtingen auf.

Für den Höhepunkt des Nachmittags sorgte eine Premiere. Die Plattspräker des Heimat- und Mühlenvereins hatten frei nach den Brüdern Grimm das Märchen "Der Müller un sin Kater Wilhelm" einstudiert. Wilhelm Busse hatte die Idee zum Stück und übernahm die Rolle des Katers. Immerhin gehört seit dem vergangenen Jahr der Mühlenkater zur Flechtinger Mühle. Da lag es für den Plattspräker nahe, das Märchen vom gestiefelten Kater auszuwählen. Bestückt mit Headsets und vier nagelneuen Mikrofonen spielten sich die Akteure schnell in die Herzen der Zuschauer. Die gesamte Wiese zu Füßen der Mauer diente ihnen als Kulisse.

Vereinsvorsitzender Hubertus Nitzschke zeigte sich erleichtert, dass sich die Mühen der Vorbereitung gelohnt und so viele Besucher den Weg in und an die Mühle gefunden hatten. Den musikalischen Reigen schlossen der Volkschor Süplingen, der auch gemeinsam mit dem Forstchor auftrat, und der Chor Caletsa mit Sängern aus Calvörde, Etingen und Satuelle.