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Vortrag von Hannes Lemke Zerbster Prozessionsspiel noch älter

Von Helmut Rohm 05.12.2014, 01:17

Dessau-Roßlau l Gerade hatte Hannes Lemke in seinem Einführungsvortrag zur Sonderausstellung "Horet, mercket, vorsteit: dysser verslosene garte beczeyget uns Mariam dy eddele, zcarte. Das Zerbster Prozessionsspiel 1507" im Museum der Stadt Zerbst neue Erkenntnisse zum Zerbster Prozessionsspiel verkünden können. Nur wenige Tage später haben sich diese auch schon wieder überholt.

"Das Zerbster Prozessionsspiel muss noch einmal neun Jahre älter werden", sagt der Zerbster bei einem weiteren Vortrag im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau. Der Verein für Anhaltische Landeskunde (VAL) hatte im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe in den Dessauer Wasserturm eingeladen. Referent Hannes Lemke hatte sich das Thema "det gerede to dessaw unde kothen tho halen unde wech tobringen" - Das Zerbster Prozessionsspiel und seine Verflechtungen inner- und außerhalb Anhalts" ausgesucht.

Begleitend zum Vortrag lag in einer Vitrine eben jene Urkunde aus den Beständen des Landeshauptarchivs, auf die Hausherr und VAL-Vetreter Andreas Erb bereits bei der Begrüßung hinwies und die Hannes Lemkes Erkenntnisse revidierte.

Bei seiner Tätigkeit im Archiv des Geistlichen Stifts von St. Bartholomäi Zerbst war er auf eine Urkundenabschrift gestoßen, "die 1498 eine Stiftung dokumentierte, in der ein wohlhabender Zerbster eine jährliche Aufführung der wichtigsten Bibelkapitel stiftete". Nun fand sich das Original in Dessau - und stammt aus dem Jahr 1490.

"Anhand der Urkunde und der erhaltenen Zerbster Stadthandbücher können die Stiftungen nun konkretisiert und die gestifteten Grundstücke gefunden werden", verweist Hannes Lemke auf einen weiteren Erkenntnisfortschritt.

In seinem Dessauer Vortrag ging er, der die erhaltenen 15 Textbücher und das Regiebuch 2012 im Zerbster Stadtarchiv in ihrer Komplettheit wieder entdeckt hatte und seitdem weiter dazu geforscht und mehrfach publiziert hat, zunächst auf die Besonderheiten des Zerbster Spiels ein.

Anders als andere geistliche Spiele im ausgehenden Mittelalter folgt es nicht der Tendenz des Übergangs von der Passion zur Posse. Anders als bei anderen geistlichen Spielen ist hier die Aufführung belegt und ist vor allem die erhaltene Quellenvielfalt - neben Text- und Regiebüchern unter anderem weitere urkundliche Zeugnisse - "für die Region und den deutschsprachigen Raum bemerkenswert. Man könnte von einer einzigartigen Situation sprechen. Dennoch ist das Zerbster Prozessionsspiel in Vergessenheit geraten", so Hannes Lemke.

In seinem Vortrag beim VAL widmete er sich weiter der Aufführung des Spiels, bei dem "der städtische Raum zur Bühne wurde. Zünfte, Innungen, Mitglieder der städtischen und geistlichen Verwaltung sowie Bewohner der Schlossbezirkes traten dabei als Akteure, Schauspieler auf". Von der Bartholomäikirche über den Markt zu St. Nicolai und zurück führte der Zug, bei dem an einem oder mehreren Punkten die Spieltexte verlesen worden seien und die ansonsten starren Bilder erwachten.

Das Zerbster Prozessionsspiel war nicht nur "gelebter Glaube, ein Gottesdienst im wahrsten Sinne des Wortes". In einer Zeit, da Zerbst aufgrund verschiedenster Fehden mit "einem Pulverfass verglichen wurde, das auf einen Funken zur Explosion wartete", habe das Spiel auch einmal im Jahr all die gegnerischen Parteien gleichberechtigt als Akteure nebeneinander gestellt, die Ordnung und Zusammengehörigkeit demonstrierten.

Gemäß dem Titel seines Vortrags verwies Hannes Lemke auf die Verflechtungen im Zusammenhang mit dem Prozessionsspiel über die Stadtgrenzen hinaus. So kamen etwa aus Köthen und Dessau nicht nur Zuschauer, sondern waren beide Städte auch Leihgeber für Requisiten. Besonders für die Bedeutung "des Prozessionsspiels innerhalb des mitteldeutschen Raumes über Bistums- und Landesgrenzen hinaus ist", dass es auch die Leihgabe einer Reliquie aus Magdeburger für die Zerbster Aufführung gab.

"Das Zerbster Prozessionsspiel ist nicht nur ein Spiel unter vielen", unterstreicht Hannes Lemke anhand all dessen einmal mehr. Auch deshalb: "Dieser spätmittelalterliche Schatz weist Zerbst nicht nur als Bier- und Handelsstadt, sondern auch als kulturellen Leuchtturm des alten Reiches aus."

Die Ausstellung im Zerbster Museum ist als Korrespondenzprojekt zur Magdeburger Exposition "Am Vorabend der Reformation. Alltag und Frömmigkeit in Mitteldeutschland" bis 15. Februar 2015 zu sehen.