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Ausstellung "Justiz im Nationalsozialismus" im Zerbster Amtsgericht eröffnet Anwälte als Handlanger der Rechtlosigkeit

Von Daniela Apel 09.06.2015, 03:20

Zu welchen Exzessen das Gerichtswesen in einem totalitären System fähig sein kann, zeigt die Wanderausstellung "Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes". Bis 10. Juli erzählen über 40 Schautafeln im Amtsgericht Zerbst von Tätern und Opfern.

Zerbst l Erforschte Ereignisse, hervorgeholte Fakten und recherchierte Schicksale aus der Region stehen im Mittelpunkt der Ausstellung "Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes". Über 40 Schautafeln entführen die Besucher des Zerbster Amtsgerichtes in das düsterste Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte.

"Unser besonderes Anliegen ist es, darzustellen, zu welchen Exzessen Herrschende fähig sein können", erklärt Justizministerin Prof. Angela Kolb in ihrer Eröffnungsrede. Gerichts- und Personalakten seien gewälzt, Fotos, Zeitungen und Archive durchforstet worden, um Opfern wie Tätern ein Gesicht zu geben - und vor allem, um einen lokalen Bezug zu schaffen.

Denn die direkte Verbindung zu den jeweiligen Standorten zeichnet die Wanderausstellung aus, die bereits in Brüssel und Berlin sowie 13 Orten in Sachsen-Anhalt zu sehen war. "Es werden immer wieder neue konkrete Fälle gefunden", schildert Angela Kolb den "Zerbster Kommunistenprozess". Zugleich erzählt sie vom Konzentrationslager in Roßlau. Eine weitere der vier speziell auf die Region zugeschnittenen Tafeln widmet sich den frühen Schutzhaftlagern in Anhalt, eine weitere der Justiz im Kreis Zerbst.

Diese Ausstellung zeige, was passiert, wenn es keinen Rechtsstaat mehr gibt, wenn die Würde des Menschen mit Füßen getreten werde, wie es die Justizministerin formuliert. Wie Menschen wegen Nichtigkeiten oder weil sie nicht in das Weltbild der Nazis passten, verurteilt wurden. Denn Fakt ist: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Richter und Staatsanwälte begrüßte Hitlers Machtübernahme. Diese Juristen akzeptierten auch die mit der "Reichstagsbrandverordnung" einsetzende Zerstörung der "Freiheitsrechte des Individuums gegenüber der Staatsgewalt". Die Auswirkungen veranschaulicht ebenfalls das Begleitprogramm.

Zu den Besonderheiten des seit 2008 unter wissenschaftlicher Federführung der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt laufenden Projektes gehört die Ausbildung so genannter "Schüler-Guides". Bereits am Freitag vertieften sich 16 Neunt- und Zehntklässler des Zerbster Francisceums und der Ganztagsschule Ciervisti mit der berührenden Thematik. Sie werden in den kommenden Wochen vor allem Gleichaltrige, aber auch andere Besucher durch die Ausstellung führen.

Jene verdeutliche den "Stellenwert einer unabhängigen Justiz", wie es der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann in seinem Grußwort gestern ausdrückt. Unterdessen spricht Amtsgerichtsdirektor Andreas van Herck vom "absoluten Tiefpunkt" in der Geschichte des deutschen Rechtswesens, von einer Justiz, die in Teilen versagte und zum Handlanger wurde.