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Breitband-Internetverbindungen in der Einheitsgemeinde Stadt Zerbst Bild von Wünschen und Notwendigkeiten noch diffus

Von Im Boden oder per Funk 09.02.2010, 04:52

Jeder Anhalt-Bitterfelder soll zum Jahresende 2010 einen Breitbandanschluss haben, der mindestens 2000 Megabit Datenmenge pro Sekunde zum Nutzer leitet. Bund und Länder haben die Breitband-Initiative angestoßen, jedoch ist es Sache der Bürger und der Wirtschaft, sich zu vereinbaren. Zwischen beiden katalytisch zu wirken, hat sich Kreisverwaltungsdezernent Bernhard Böddecker auf die Fahne geschrieben.

Von Thomas Drechsel

Zerbst / Köthen. 300 Leute aus Zerbst und Umgebung haben dem Landkreis gemeldet, dass sie eine Breitband-Verbindung ins Internet haben wollen oder mit ihrer bestehenden nicht zufrieden sind. Das sind nicht viel und doch genug, um ein erstes Bild zu entwerfen. Für den Zerbster Raum ist es düster. Drei Orte – gemeint sind hier Siedlungen – sind als " erschlossen " registriert : Moritz, Schora, Töppel. " Die Angaben beruhen ausschließlich auf freiwilligen Auskünften ", schränkt Birgit Rauchfuß ein. Sie sammelt in der Landkreisverwaltung die Daten zum " Unternehmen Breitbandanschluss ". Zerbst beispielsweise gilt als " erschlossen ", denn die Siedlungsdichte hat eigentlich längst rundum für Kabel in der Erde gesorgt.

Dennoch ist Zerbst auf ihrer Typensteckkarte gelb markiert : " zweifelhaft ". Rolf Braune aus Zerbst stützt diese Zweifel : " Ich arbeite im Außendienst, bin häufig online am Firmenserver, muss schnell große Datenmengen schicken und empfangen. Da reicht meine 2 000-er Leitung, aus der in echt nicht mal die Hälfte kommt, nicht aus. " Datenverkehr mit dem Firmenserver bei Leipzig, E-Mails in die USA und aller Herren Länder – " das geht nur nachts, weil ich einfach zu viel Zeit zum Senden brauche ". Braune ist verärgert über die Internet-Steinzeit in Zerbst und verweist auf andere Städte. " Da wird Glasfaserkabel durch Abwasserrohre gezogen. Ganz einfach. Bei uns hier wird bloß geantwortet, dass das alles nicht geht. "

Braune hat schlicht Pech, weil sein Büro zufällig recht weit entfernt vom nächstgelegenen Telekom-Einspeiseort ist. Dabei ist das Wohngebiet " Steinstücke " erst nach der Wende erschlossen und verkabelt worden. Bernhard Böddecker, Dezernent der Kreisverwaltung : " Der entscheidende Punkt ist : Wo endet das hochleistungsfähige Kabel der Telekom ? Dahinter liegt zumeist nur Kupferkabel. Je weiter entfernt die Nutzer an dieser Kupferleitung hängen, umso geringer die Übertragungsrate. "

Hieße für Zerbster Bereiche, das Hochleistungs-Kabel dichter heranzubekommen. " Wenn genug Interessenten in einem bestimmten Bereich da sind, dann reagiert die Telekom. Aber das ist teuer. Man braucht wenigstens zehn bis 15 Nutzer. " Zum zweiten Mal also aktuell Pech für Herrn Braune – aus seiner Nachbarschaft ist bislang offenbar kein weiterer Bedarf angegeben worden. " Die Befragung auf der Homepage des Landkreises läuft noch immer ", erklärt Böddecker. " Wer hier angibt, in welcher Situation er gerade ist und in welcher er gern wäre, hilft uns, ein besseres Bild über den Versorgungsgrad im Ort zu bekommen. Diese Informationen können wir der Telekom weitergeben, die könnte schauen, wohin der nächste Einspeiseort gesetzt werden müsste. "

Auf den Dörfern um Zerbst herum ist die Situation weit schlechter. " Investitionskosten von 1 000 Euro pro Anschlussnehmer sind aktuell etwa die Grenze. Auf den Dörfern entstehen wegen der weiten Entfernungen und der wenigen Anschlussnehmer aber 6- bis 7 000 Euro Anschlusskosten pro Teilnehmer. " Folglich blieben die Dörfer bislang vom Internet abgeschnitten wie einst Dresden vom Westfernsehen.

Die Bundes- und Landesinitiativen, unter anderem auch als Projekt des Konjunkturpaketes II, unterstützen nun die Anbieter von Hochleistungsverbindungen ins Internet. Das Prinzip : Die Kommune schreibt aus und bezahlt einen Eigenanteil, das Land bezahlt den Löwenanteil, der Auftragnehmer erschließt den Ort zu festgelegten Konditionen, die Bürger schließen sich bei ihm an. So wird dieser Tage in Lindau verfahren. 476 000 Euro wird der Breitband-Ausbau in Lindau kosten. Die Stadt hat dies bereits 2009 selbst angeschoben und ihren Eigenanteil ( rund 59, 5 Millionen Euro ) schon im Sparstrumpf stecken.

Es gibt Alternativen zum teuren Breitbandkabel in der Erde. Dieser Tage zieht das Internet zum Beispiel in der ehemaligen Gemeinde Zernitz per Funk ein. Das Prinzip : Vom nächstgelegenen Einspeisepunkt – in dem Fall das Telekom-Hochleistungskabel-Ende auf dem Spitzberg – wird eine Funkverbindung in den Ort aufgebaut und betrieben. Von dort aus werden zu jedem Teilnehmer im Ort ebenfalls Funkübertragungen eingerichtet. Das geht schnell, es braucht nicht gebaggert werden und die Technik kann etwa dasselbe leisten wie derzeitige DSL-Verbindungen per Telefon-Leitung.

Böddecker appelliert an die Einwohner, sich an der Befragung zu beteiligen. " Wir wollen echt und nachdrücklich helfen, dass Internetverbindungen so schnell sind, wie sie der Nutzer braucht. Dazu brauchen wir diese Daten. " Am 9. März findet in Zerbst eine " Breitband-Konferenz " mit den Ortsbürgermeistern statt. Böddecker : " Wir wollen darüber informieren, was alles geht, und erfahren, wo es Bedürfnisse gibt. "