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Fahrende Ausstellung stoppt in Magdeburg / Dokumentation der Deportation von Kindern Lachende Kinder im "Zug der Erinnerung"

Von Stefan Harter 07.06.2013, 03:22

Der "Zug der Erinnerung" machte gestern Halt am Magdeburger Hauptbahnhof. Die rollende Ausstellung dokumentiert das Schicksal Tausender Kinder und Jugendlicher, die von den Nazis mit Zügen in das Vernichtungslager Sobibor gebracht wurden.

Altstadt l "Ist es schwer für mich in Deutschland zu sein?", werde sie oft gefragt, erzählt Mirjam Huffener. Und die Antwort laute leider ja. Die Niederländerin mit jüdischem Glauben steht gestern Vormittag auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs und berichtet von der Geschichte ihrer Tante und Großeltern. Sie gibt den Tausenden Schicksalen, von denen in dem Zug neben ihr erzählt wird, eine Stimme.

Carla Veffer, die Schwester ihrer Mutter Lotti, wurde am 5. Juni 1943 mit ihren Eltern mit der Eisenbahn vom Sammellager Westerbork in das polnische KZ Sobibor gebracht. Dort wartete auf sie die Gaskammer. 15 Jahre alt war sie damals. Mit ihr starben 250000 Menschen, darunter auch mindestens 18 Kinder aus Magdeburg. Walter Beck, Ruth Weile und Alfred Hirsch sind nur drei der Namen.

Daher hatte der Halt des "Zugs der Erinnerung" auch einen lokalen Bezug. Wadim Laiter, Vorstandsvorsitzender der Synagogen-Gemeinde, mahnt, "dass das, was geschehen ist, nicht in Vergessenheit gerät." Bürgermeister Rüdiger Koch, der den "Zug der Erinnerung" offiziell begrüßte, dankt den Mitgliedern des gleichnamigen Vereins für ihre Arbeit: "Weil Erinnerung verblasst, muss sie lebendig erhalten werden."

Über 20 Klassen aus Magdeburg und Umgebung hatten sich für einen Besuch angemeldet. In Hotpants, mit Sonnenbrille und Smartphone kommen die Jungen und Mädchen und erfahren, was mit ihren gleichaltrigen Vorfahren vor 70 Jahren geschah. Dabei werden sie aber nicht mit grausamen Bildern von Leichenbergen konfrontiert, erklärt Hans-Rüdiger Minow, Vorstandssprecher des Vereins "Zug der Erinnerung". "Wir zeigen Bilder von lachenden Kindern", sagt er. Das sei nicht so abstrakt, wie die Zahl von sechs Millionen Toten. "Die Ausstellung zeigt das Leben, das man hätte bewahren müssen und dessen Vernichtung unverzeihlich ist", beschreibt er.

Schüler der Nathusius-Förderschule aus Haldensleben nutzen den Zugbesuch als Abschluss ihres Projekts zum Nationalsozialismus. Auch die 9. Klasse der Magdeburger Waldorfschule verlegt den Geschichtsunterricht aufs Gleis.Florian lobt, nachdem er sich durch die engen Waggons geschlängelt hat: "Es wird deutlich, wie schlimm es damals war." Johanna erklärt: "Ich finde es gut, dass erinnert wird, wie schrecklich diese Zeit war. Es ist gut, dass manche überlebt haben." "Es ist aber erschreckend, wie wenige es waren", ergänzt Serafina. "Jugendliche können sich hier erinnern, damit sie nicht auf den falschen Weg geraten", sagt Charlotte.

Auf dem falschen Weg war gestern offenbar nur die Deutsche Bahn. Laut Hans-Rüdiger Minow stellte die nämlich zunächst keinen Strom zur Verfügung. "Obwohl wir uns vor Wochen angemeldet haben und viel Geld für das Gleis bezahlen", kritisiert er. Erst ein Anruf beim DB-Vorstand in Berlin hätte die Lichter im "Zug der Erinnerung" endlich angehen lassen.