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Fraunhofer IFF Der Traum von der Mensch-Roboter-Kollaboration

Service- und Assistenzrobotern, die direkt mit dem Menschen zusammenarbeiten, kommt zunehmend eine größere Bedeutung zu. Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung IFF in Magdeburg schafft in einem wegweisenden Projekt die Grundlagen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz für Menschen bei der Interaktion mit Robotern.

Von Marco Papritz 27.04.2015, 03:26

Magdeburg l Vom weltweit führenden Institut für das Forschungsfeld Mensch-Roboter-Kollaboration werden die zulässigen biomechanischen Grenzwerte bei Kontakt zwischen Mensch und Roboter untersucht. Denn der vielfältige Einsatz von Robotern ist keine Science-Fiction. Bei der Hannover-Messe hat sich vor kurzem gezeigt, dass künftig Menschen mit Robotern etwa in der Automobilindustrie enger zusammenarbeiten, die mechanischen Helfer sich frei in der Umgebung bewegen werden.

Erfolgt der Karosseriebau bereits fast komplett automatisiert, wird die Endmontage noch weitestgehend manuell vorgenommen. Teilen sich Menschen mit Robotern einen Arbeitsraum, kann in zukünftigen Roboteranwendungen eine Kollision nicht immer ausgeschlossen werden. Eine physische Nähe und räumliche Kollaboration setzen einige der künftigen Arbeitsfelder sogar voraus. "Wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, bleibt die Mensch-Roboter-Kollaboration ein Traum", sagt Dr. Norbert Elkmann, Geschäftsfeldleiter Robotersysteme am IFF.

Maßgeblich im industriellen Umfeld, in dem derzeit ein regelrechter Hype um die neuen Einsatzmöglichkeiten von Robotern entstanden ist, sind die Sicherheitsnormen zu beachten und entsprechende Sicherheitskonzepte umzusetzen. Wie stark darf ein Roboter einen Menschen berühren, damit es nicht zu Schmerzen und gar Verletzungen kommt? "Diese Frage wird bei der Normung bereits behandelt. Es fehlen aber noch die Daten, welche Kraft und welcher Druck maximal an einer Körperstelle auftreten darf, ohne dass ein Schmerz oder eine Verletzung eintritt", so Elkmann.

Zwei systematische Studien zur Bestimmung von verifizierten Grenzwerten ändern dies nun. An freiwilligen Probanden wird an verschiedenen Körperregionen mit unterschiedlichen Kollisionsgeometrien die Schmerz- und Verletzungseintrittsschwelle ermittelt. Elkmann: "Die Werte, die wir ermitteln, sollen in die weltweit gültigen Normen übernommen werden." Mit dem Vorhaben hat das IFF weltweite Aufmerksamkeit erregt. Die Fachwelt wie Roboterhersteller und zum Beispiel die Automobilindustrie schaut nach Magdeburg. Anwender, die Roboter im direkten Umfeld des Menschen ohne Schutzzaun einsetzen möchten, benötigen diese Werte, um ihre Anlagen so zu konzipieren, "dass ein Mensch beim Einsatz der Roboter nicht zu Schaden kommt".

Abbruchkriterium ist ein mittelstarker Schmerz

Mit Hilfe eines pendelförmigen Aufbaus wird die dynamische Kollision untersucht. Sprich der Fall, dass sich der Roboter bewegt und den Menschen berührt. Der Aufbau wird mit verschiedenen Massen versehen, die Auslenkung und Kollisionsgeschwindigkeit verändert. Wöchentlich werden die Werte erhöht, um zu untersuchen, wann ein Schmerz, wann eine Verletzung eintritt.

Dies klingt nur in der Theorie martial - gemeint sind sogenannte Bagatellverletzungen. "Es dürfen bei der Mensch-Roboter-Kollaboration keine Schürfwunden oder gar Knochenbrüche entstehen. Abbruchkriterium ist ein mittelstarker Schmerz, eine Schwellung beziehungsweise ein Hämatom", klärt Roland Behrens, Projektleiter der Studie, auf.

Die Studien sind von der Ethikkommission der Universität Magdeburg genehmigt worden. Die Berufsgenossenschaft in Mainz hat zudem eine Studie zur Ermittlung der Schmerzeintrittsschwelle in Auftrag gegeben. Das Fraunhofer-IFF arbeitet intensiv mit der Universitätsklinik Magdeburg zusammen. Experten der Klinik für Unfallchirurgie, der Neuroradiologie, der Rechtsmedizin und der Dermatologie stehen dem IFF während der Studien zur Seite.

Die wöchentlichen Versuche mit den Probanden erfolgen unter ärztlicher Aufsicht. Ein Check über Tauglichkeit ging dem Studienbeginn voraus. Mit sieben Probanden wurde die erste Studienphase abgeschlossen. Mindestens 30 bis 50 Testpersonen werden benötigt, um statistisch relevante Werte zu ermitteln. Eine Anzeige des IFF über die Volksstimme ist von großem Interesse begleitet worden - es fanden sich mehr potenzielle Probanden bei einer Informationsveranstaltung ein, als zunächst benötigt wurden. Gegen Ende des Jahres sollen erste Zwischenergebnisse präsentiert werden, so Elkmann.

Bereits Ende Juni kommt es in Magdeburg zu einer hochkarätigen Fachtagung, auf der vom aktuelle Ergebnisse vorgestellt werden. Im Mittelpunkt steht das Thema "Assistenzrobotik und Mensch-Roboter-Kollaboration". Zu den Referenten, die erwartet werden, zählen unter anderem Vertreter von Daimler, Volkswagen, Opel und Google sowie führende Vertreter aus der Forschung.