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Flug mit Handicap über Magdeburg Tausche Rollstuhl gegen Cockpit

Anja Fieseler kann seit ihrer Geburt nicht laufen. Nun möchte sie
zeigen, dass dies kein Hindernis ist, um zu fliegen. Beim Schnupperflug
lagen auch Start und Landung in ihren Händen.

Von Jennifer Lorbeer 29.04.2015, 01:25

Magdeburg l Einmal über den Wolken - die meisten erleben diese Freiheit nur als Fluggast im großen Airliner. Genau wie Anja Fieseler, die bisher nur einmal mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen ist. Für die 35-Jährige ist eine solche Unternehmung stets mit Hindernissen verbunden, weil sie querschnittsgelähmt geboren wurde und im Alltag auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Doch dies ist kein Grund, warum die 1,30-Meter-Frau nicht einfach selbst das Steuer eines Flugzeuges übernehmen kann.

Vor wenigen Wochen auf der Straße angesprochen, ob sie sich selbst als Pilotin vorstellen könnte, ließ sich Fieseler auf das Abenteuer ein. "Wir können so viel selbst schaffen", erklärt sie. "Ich habe es häufig erlebt, dass sich Passanten auf den Schlips getreten fühlen, wenn man Hilfsangebote ablehnt. Aber wir wollen das, was wir alleine können, auch alleine machen." Ebenso ein Grund, weshalb die gelernte Bürokraft alle notwendigen Wege selbstständig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt.

Auf dem Flugplatz in Magdeburg beim Flugsportzentrum Mitteldeutschland wurden die Angebote auf Menschen mit Handicap erweitert. Geschäftsführer Silvio Büttner kam vor einiger Zeit auf die Idee, eines seiner Ultraleichtflugzeuge behindertengerecht umzubauen. "Seit letztem Jahr haben nun auch körperlich beeinträchtigte Menschen bei uns die Möglichkeit, ihren Pilotenschein zu machen", berichtet Büttner. "Der Umbau ging ganz schnell. Wiederum ist auch die Bedienung leicht zu erlernen." Einzig das Seitenruder, welches sonst mit den Füßen betätigt wird, kann mithilfe einer Verlängerung nun mit den Händen gesteuert werden.

Nach nur zehn Minuten Einweisung tauscht Fieseler ihren Rollstuhl gegen den Flugzeugsitz neben Büttner und startet mit laut rotierendem Propeller in ihren Schnupperflug. "Man braucht ein gewisses Feingefühl für die Handhabung", berichtet Fieseler über die Erfahrung als Testpilotin. "Ich bin da etwas grobmotorisch, aber Silvio hat in notwendigen Fällen korrigiert." Die Steuerung sei dennoch sehr einfach und der Ausblick über Magdeburg überwältigend.

Bei einem weiteren Flugversuch, unmittelbar nach dem ersten, ist die junge Frau schon so sicher, dass sie neben der Steuerung über den Wolken auch den Start und die Landung völlig selbstständig übernimmt. Fluglehrer Büttner betont jedoch, dass die Ausbildung auch aus einem theoretischen Teil bestehe. So würde es etwa über ein halbes Jahr dauern, bis man den Pilotenschein in den Händen hält.

Auch wenn seine Tagesschülerin in naher Zukunft keine Lizenz zum Fliegen erhalten möchte, sei das Erlebnis unvergesslich. "Ich kann es jedem, der in der gleichen Situation ist, nur empfehlen", fasst Fieseler begeistert zusammen. "Man muss ja nicht zwangsläufig den Schein machen. Aber als kleines Abenteuer ist es in jedem Fall viel wert und macht unglaublich viel Spaß."