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Langer Schulweg Volle Schule, verzweifelte Mutter

Nancy Schrader wohnt in Brückfeld. Ihre Tochter wollte - wie so viele
andere - die Gemeinschaftsschule "Thomas Mann" in Cracau besuchen. Aber
weder hier noch an der Sportsekundarschule "Hans Schellheimer" wurde sie
angenommen.

Von Michaela Schröder 03.06.2015, 03:34

Magdeburg l Nancy Schrader ist verzweifelt. Eigentlich sollte ihre Tochter im kommenden Schuljahr auf die Gemeinschaftsschule "Thomas Mann" gehen. Doch es gibt nicht genügend Plätze.

64 Schüler haben sich für die 56 freien Plätze angemeldet. Ein Losverfahren entschied erstmalig an der Cracauer Schule, welches Kind aufgenommen wurde. Die 9-jährige Michelle July ging leer aus und soll nach den Sommerferien in die Leibnizschule an der Hegelstraße eingeschult werden. Keine Alternative für Mutter und Tochter.

Nancy Schrader stellt einen Antrag auf Berücksichtigung als Härtefall. Die Härtefallregelung greift im Allgemeinen, wenn ein Kind schwer erkrankt, behindert ist oder ein Geschwisterkind bereits die favorisierte Schule besucht. Sie kann aber auch wirksam werden, wenn der Schulweg zu einer anderen Schule sehr weit wäre. Der Antrag von Nancy Schrader wird von der Stadt abgelehnt, ebenso eine Aufnahme an der Sportsekundarschule "Hans Schellheimer".

Eine Ursache für die fehlenden Plätze an der Thomas-Mann-Schule ist, dass Gemeinschaftsschulen wie die Gymnasien keinen Schulbezirk haben, das heißt, die Eltern haben zur Anmeldung die freie Wahl einer Gemeinschaftsschule. "Somit hat ein Schüler, der weiter weg von der Schule wohnt, die gleichen Rechte wie ein Schüler, der nahe an der Schule wohnt", erklärt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra auf Volksstimme-Nachfrage.

Bereits im Schuljahr 2014/15 nahm die Gemeinschaftsschule sieben Kinder auf, die nicht in Ostelbien gemeldet sind, im Schuljahr 2015/16 sind es sechs Kinder. Die Thomas-Mann-Schule ist die einzige der neun kommunalen Gemeinschaftsschulen, für die ein Losverfahren notwendig war.

Dass die Wohnortnähe keine Rolle bei der Schulplatzvergabe spielt, kann Nancy Schrader nicht verstehen. Die alleinerziehende Mutter wohnt in der Bandwirkerstraße. Bis zur Thomas-Mann-Schule sind es fünf Minuten zu Fuß. Michelle July kennt den Schulweg aus dem Effeff, denn sie besucht derzeit die 4. Klasse der Grundschule "Am Elbdamm". Gemeinschaftsschule und Grundschule befinden sich unter einem Dach.

"Mein Sohn wird nach den Sommerferien in der Elbdamm-Grundschule eingeschult. Die beiden hätten jeden Tag gemeinsam zur Schule gehen und den Hort besuchen können", erzählt die 33-Jährige.

Michelle Julys neuer Schulweg wird zukünftig 25 Minuten dauern. Die 9-Jährige muss mit der Straßenbahn zum Alten Markt fahren und hier in Richtung Hasselbachplatz umsteigen. Nancy Schrader kann nicht verstehen, dass die Verwaltung Geld in die Hand nimmt, um Schüler mit öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die Stadt fahren zu lassen, obwohl es wohnortnahe Schulen gibt.

Die 9-jährige Michelle July hofft unterdessen, dass sie doch noch in ihre Wunschschule gehen kann. "Meine beste Freundin wird in die Thomas-Mann-Schule gehen. Ich habe im Hort viele Freunde gefunden, die ich an der anderen Schule nicht mehr sehen kann", sagt die Viertklässlerin traurig.

Nun geht Nancy Schrader einen letzten Schritt und will die Einschulung ihrer Tochter an der Cracauer Gemeinschaftsschule einklagen. Bereits am 15. Mai hat die 33-Jährige Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Stadtverwaltung sieht jedoch den Rechtsanspruch erfüllt. "Es gibt ein Anrecht auf einen Platz an einer Schule der gewählten Schulform. Bei einem Negativlos wurde ein Platz an der nächstgelegenen Gemeinschaftsschule `Leibniz` zur Verfügung gestellt", ergänzt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra.

Michelle July ist nicht die einzige Schülerin aus Ostelbien, die zukünftig an der Schule in ihrer Nachbarschaft vorbeifährt, weiß Nancy Schrader. Fünf weitere Mitschüler sollen betroffen sein. Mittlerweile hat sich auch Linken-Stadtrat Karsten Köpp der Thematik angenommen und will die Probleme mit dem Schulwechsel an weiterführende Schulen während der nächsten Sitzung des Magdeburger Stadtrates ansprechen.