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Uniklinik Magdeburg Forscher auf der Jagd nach Krebszellen

Kommendes Wintersemester startet am Universitätsklinikum Magdeburg der nach seinen Angaben deutschlandweit einzigartige Masterstudiengang Immunologie. Ein wichtiger Teil der Forschung ist die Stammzellentransplantation.

16.06.2015, 15:22

Magdeburg l Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle bei vielen Erkrankungen. Die Erforschung des körpereigenen Abwehrsystems ist für das Verständnis, die Vorbeugung, Diagnostik und Therapie von Volkskrankheiten wie Alzheimer und Krebs von großer Bedeutung. Intensiv beschäftigt sich damit der im vergangenen Jahr gegründete Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation (Volksstimme berichtete) an der Uniklinik Magdeburg.

Ein Teil des neuen Campus ist die Klinik für Hämatologie und Onkologie von Prof. Dr. Thomas Fischer. Der in Lindau (Bodensee) geborene Mediziner hat sich auf Blutkrebs und die allogene Stammzellentransplantation (siehe Infokasten) spezialisiert. "Die allogene Stammzelltransplantation ist das Paradebeispiel für eine erfolgreiche Immuntherapie", sagt er. Das Prinzip dahinter ist einfach: Die Immunzellen des Spenders sollen die Krebszellen des Empfängers jagen und abtöten.

Einer, der so eine Stammzellentransplantation hinter sich hat, ist Manfred Polleis (70 Jahre) aus Salzwedel. Entdeckt wurde der Blutkrebs bei dem Taxifahrer bei einer Routinekontrolle beim Hausarzt. Das Blutbild sah ungewöhnlich aus. Eine Überweisung in die Uniklinik nach Magdeburg folgte. Dort bestätigte sich der Verdacht. "Für mich ist in diesem Moment eine Welt zusammengebrochen", sagt Polleis. Als Taxifahrer habe er sehr häufig Patienten ins Krankenhaus gebracht - zur Dialyse oder zur Bestrahlung. Nun sitze er selbst hier. "Ich hab noch so viel vor. Ich will noch so viel erleben", sagt er.

Polleis hat eine Form des Blutkrebses, der sich nur durch Stammzelltransplantation heilen lässt. Mit Medikamenten kann der Krankheitsverlauf zwar abgeschwächt werden, aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem er sich entscheiden muss - Transplantation ja oder nein. "Das ist eine Sache, die du ganz allein mit dir ausmachen musst", sagt er. Er entschloss sich dafür.

Die Suche nach einem geeigneten Spender ging bei Manfred Polleis schnell. Knapp drei Wochen hatte es gedauert. "Die ersten 100 Tage sind die schwierigsten", sagt Fischer. Hier steht die Feinsteuerung des Immunsystems und die Überwachung und Behandlung von Infekten und anderen Komplikationen im Vordergrund. Dies bedeutet, dass die Patienten sehr intensiv betreut werden. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen überleben bei Blutkrebs aber zehn bis 25 Prozent der Patienten eine allogene Stammzelltransplantation nicht. "Das Ziel internationaler Studien, an denen auch unsere Klinik teilnimmt, ist diese Zahl zu senken. Deshalb ist Forschung so wichtig", sagt Fischer. Die Transplantation an sich ist relativ unspektakulär. Die Stammzellen werden über einen Venenschlauch unter der Haut in Brusthöhe dem Empfängerkörper zugeführt. Ungefähr sechs Wochen verbringt der Patient im Krankenhaus. Polleis steht inzwischen kurz vor der Entlassung. "Nach 14 bis 21 Tagen weiß man, ob der Körper die Zellen des Spenders annimmt", sagt Fischer. Das Problem: Nach einer Transplantation ist der Körper geschwächt. Das Immunsystem ist quasi auf null gefahren.

Um das Risiko für Ansteckungen zu minimieren, gibt es in Magdeburg spezielle Transplantations-Stationen, auf denen alles steril ist. So wird beispielsweise die Luft gefiltert. In den Zimmern herrscht konstanter Überdruck, die Zimmerluft weicht beim Türöffnen nach außen.

In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsschwerpunkt (Sonderforschungsbereich SFB-854) der Medizinischen Fakultät wird die Erkrankung von Manfred Polleis intensiv erforscht. "Blutkrebs ist eine relativ häufige bösartige Erkrankung des Erwachsenen. Bei älteren Patienten ist die akute Leukämie besonders häufig. Aktuell können etwa 40 Prozent der Erkrankten (unter 60 Jahre) dauerhaft geheilt werden."

Klinikchef Fischer sieht die Lösung in einer vollends individualisierten Behandlung. Denn jeder Patient hat andere Tumor- und Leukämiemerkmale. "Was wir brauchen, ist eine zielgerichtete Therapie, die spezifisch die Tumor- und Leukämiezelle trifft und eine Weiterentwicklung der Immuntherapie", sagt Fischer. Derzeit sind etwa 100 Genveränderungen bekannt, die Leukämie auslösen können. Dabei spielt den Medizinern die technologische Entwicklung in die Hände. Über die Jahre hat sich die Technik so weiterentwickelt, dass die Untersuchung von Zellen und deren Erbgut einfacher als noch vor zehn Jahren ist. Es ist an Medizinern wie Fischer, die neuen Puzzleteile zusammenzusetzen und Patienten wie Manfred Polleis damit zu helfen.

Im Internet:www.med.uni-magdeburg.de