1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Freie Fahrt nach Norden: Neue Trasse für die Straßenbahn ist beschlossene Sache

Ratsmehrheit beerdigt den Streit um die Streckenführung und schwenkt voll auf MVB-Linie ein Freie Fahrt nach Norden: Neue Trasse für die Straßenbahn ist beschlossene Sache

Von Katja Tessnow 07.07.2012, 05:18

Auf jeden Fall noch in diesem Jahrzehnt soll die Straßenbahn auf neuer Route vom Stadtzentrum gen Norden und zurück pendeln. Der Stadtrat gab dem etwa drei Kilometer langen Teilstück des Projektes 2. Nord-Süd-Verbindung seinen Segen.

Magdeburg l Gleich eingangs der Ratsdebatte schüttete der zuständige Baubeigeordnete Dieter Scheidemann (parteilos) sich die sprichwörtliche Asche aufs Haupt: "Mein Resümee aus den Diskussionen der vergangenen Wochen: Wir sollten künftig auch die untersuchten Alternativvarianten im Vorfeld zum Gegenstand der Debatte machen." Heißt: Scheidemann macht den Grund für die Auseinandersetzungen um die Trassenführung an einem gewissen Informationsdefizit fest. Vor allem bei den Sozialdemokraten, aber auch bei Grünen und Linken, hatten sich kurz vor der eigentlich im April geplanten Beschlussfassung zur Trassenführung eine ganze Menge Fragen und daraus wiederum eine Vielzahl von Änderungswünschen ergeben, die das Planungspapier der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) aus den Angeln zu heben drohten.

Vorweg: Alle Fraktionen im Rat stehen voll und ganz hinter dem mehr als ein Jahrzehnt geplanten Vorhaben, das Magdeburger Straßenbahnnetz mit einer 2. Nord-Süd-Verbindung durch die Stadt zu komplettieren und unter anderem das vom Netz bis heute abgeschnittene Neustädter Feld mit seinen Tausenden Bewohnern zu erschließen. Die konkrete Führung der Gleise (siehe Grafik) hatte allerdings in den zurückliegenden Wochen für eine Menge Kritik gesorgt, u. a. weil die Trasse zur Hälfte abseits heutiger Wohnbebauung, also abseits der Kundschaft, liegt.

Hans-Dieter Bromberg (SPD) merkte an: "Über die ersten Planungen sind inzwischen 13 Jahre ins Land gegangen. Deshalb haben wir erneuten Diskussionsbedarf gesehen und waren bei der Anhörung im Mai nicht unbedingt überzeugt davon, dass alle Varianten gut untersucht worden sind." Man habe sich daher das Recht herausgenommen, eigene Vorschläge zu unterbreiten, rechtfertigte sich Bromberg, um sogleich zum Rückzug zu blasen. Der Umstand, dass Veränderungen an der geplanten Route die Förderfähigkeit des Projektes in Frage stellen und zudem den Baustart um ein bis zwei Jahre verzögern könnten, "hat uns am Ende dazu gebracht, unseren Antrag heute zurückzuziehen". Eine Trassenführung durch die Schillerstraße und durch Texas ist damit vom Tisch.

Visionen vom "Wutbürger" in der Schillerstraße

CDU-Mann Reinhard Stern schmetterte dem Rückzug noch hinterher: "Man kann diesen Anträgen nur ein striktes Nein entgegenschmettern, sofern sie nicht schon zurückgezogen sind." Stern hatte sich zuvor massiv über die Änderungswünsche von SPD, Linken und Grünen ereifert: "Als ich die Anträge gesehen habe, konnte ich nur den Kopf schütteln und dachte: Das darf doch nicht wahr sein! Wir reden seit über einem Jahrzehnt über das Projekt, eines der größten Verkehrsvorhaben der Stadt, und da wollen wir plötzlich neu über Trassenverläufe diskutieren?" Stern empfahl den Antragstellern die Lektüre des Buchs vom Wutbürger: "Daraus können Sie dann gerne ein paar Ableitungen für die Situation ziehen, wenn wir die Straßenbahn durch die Schillerstraße schicken." Stern sah lange Unterschriftenlisten vor seinem geistigen Auge ... "Absurd" nannte auch der Linke Mario Grünewald die Idee von der Schillerstraßen-Linie. Er, jedoch längst nicht alle seine Fraktionskollegen, sei mit dem MVB-Vorschlag einverstanden: "Man muss dann nur den Kleingärtnern, die an der neuen Route liegen, ehrlich sagen, dass ihre Parzellen keine Zukunft haben, sondern früher oder später bebaut werden."

Für die Grünen zog schließlich Jürgen Canehl die Änderungswünsche seiner Fraktion (Linie durch die Ebendorfer Straße) zurück. Nach all den Rückzügen rief der Vizefraktionschef von Linke/Tierschutz Oliver Müller empört in den Saal: "Fast muss man sich ja hier schon entschuldigen, wenn man sich auch Gedanken macht und Vorschläge einbringt." Ganz recht, erwiderte FDP-Fraktionschef Hans-Jörg Schuster sinngemäß und wunderte sich - ironischen Tonfalls - über die vermeintlichen verkehrsplanerischen Kompetenzen manch ehrenamtlicher Ratskollegen.

Am Ende stimmten neben acht Räten der Linken (sechs Enthaltungen, zwei Gegenstimmen) alle Abgeordneten für die Pläne der MVB (siehe Grafik). Die neue Trasse verläuft demnach wie folgt: Abzweig im Breiten Weg (Nordabschnitt) in die Straße Am Krökentor, weiter südlich der Walther-Rathenau-Straße/Albert-Vater-Straße bis zur westlichen Auffahrt Magdeburger Ring, nach Norden (weitgehend durch Gartenland) bis Mittagstraße/Kritzmannstraße weiter zur Wendeschleife auf dem Parkplatz nördlich des Hermann-Bruse-Platzes im Neustädter Feld.

Zu 90 Prozent soll das millionenschwere Projekt von Bund und Land finanziert werden.