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  5. Was Stasi-Chef Erich Mielke über den Freikauf von Häftlingen dachte

Bei seinen Forschungen stieß der Historiker Jan Philipp Wölbern in den Archiven der Stasi-Unterlagen-Behörde auf seltene Tondokumente Was Stasi-Chef Erich Mielke über den Freikauf von Häftlingen dachte

24.01.2013, 01:14

Die vorzeitige Entlassung und Ausreise von Häftlingen in den Westen stand zwangsläufig im Widerspruch zum eigentlichen Auftrag der DDR-Geheimpolizei, die Flucht und Ausreise zu bekämpfen hatte.

So war es nicht verwunderlich, dass der Häftlingsverkauf in den 80er Jahren selbst in den Diensteinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit zum Gesprächsthema wurde. Der Historiker Jan Philipp Wölbern stieß in der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen auf seltene Tonbandmitschnitte einer Zusammenkunft der MfS-Führungsebene. Dabei äußerte sich Stasi-Chef Erich Mielke:

"Jetzt komme ich zu den Häftlingen, ja, von der Gesetze, man muss also absitzen, das Gesetz, nicht wahr, wie unsere Klassiker uns gelehrt haben, auch Lenin, nicht wahr, wenn er \'ne Strafe hat, muss er sie absitzen. Nu\' will ich euch mal was sagen, Genossen: Ne Haftstrafe muss es nur geben, wenn se berechtigt ist ... Und wenn se nicht berechtigt ist, kann man keene Haftstrafe machen. ... Aber wenn se gegeben ist ... und [er] hat sich strafbar gemacht, ist nach dem Gesetz abzuurteilen und hat die Haftstrafe anzutreten. So. ....

Wenn also echte Gründe gegeben sind, ja warum soll er nicht da meinetwegen nach \'nem Dreivierteljahr, Vierteljahr oder \'nem halben Jahr oder je nachdem, warum sollen wir den nicht wegjagen? Was soll der denn bei uns hier sitzen? ...und frisst hier bei uns, warum soll der nicht weg? Na, warum soll der nicht weg, ich kann das euch sagen, nicht wahr: Weil ich denke ökonomisch für unsere Republik, Mensch... Und keen Schwanz umsonst!"

An anderer Stelle sagte Mielke zum Leiter der Hauptabteilung IX, Rolf Fister, der für Ermittlungsverfahren, Verhaftungen, Verurteilungen und Entlassungen zuständig war und sich kritisch zum Freikauf geäußert hatte:

"Kannst dich mit mir ruhig auf einen Disput einlassen. Das Gesetz, nicht wahr, dass einer seine Strafe eigentlich absitzen soll, dat wees ich ganz genau, damit du weist, will ich euch was sagen: Wir haben diesen großen Fall mit dieser Banditin, dieser Spionin [Name von der BStU geschwärzt], wisst ihr alle, nicht, ... und seit Jahren trommeln die [im Westen] und wollen die die Frau haben. ... und da siehst du wie konsequent wir sind. Ja ja, wir lassen se sitzen, wir lassen das Gesetz seinen Lauf gehen, wenn es notwendig ist. Aber andererseits sind wir natürlich keine Dummköpfe und lassen unsere Gefängnisse voll mit irgendwelchen Schmarotzern, die wir sowieso nicht brauchen ... Da sitzen ja zigtausende Kriminelle drin, stimmt doch ... die können ja, also, als Arbeitskräfte verwandt werden, das andere werden wir sehen, was wir machen. Also, alles muss politisch entschieden werden, durchdacht werden."