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Immer mehr Leichen bei der Obduktion / Es fehlen Personal und Geld Rechtsmedizin wird zum Notfall-Patienten

Von Matthias Fricke 20.02.2013, 02:15

Die Zahl der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Obduktionen im Norden Sachsen-Anhalts stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Dafür fehlen immer häufiger Personal und Geld. Die Landespolitiker haben bisher noch keinen Weg aus der Krise gefunden.

Magdeburg l Jedes Jahr steigt die Zahl der Obduktionen im Norden Sachsen-Anhalts. Während im Jahr 2010 die Forensiker noch 288 Leichen in Magdeburg untersuchten, waren es 2011 schon 316 und im vergangenen 350. Woran das liegt, kann sich auch der Leiter des rechtsmedizinischen Institutes Rüdiger Lessig nicht so recht erklären. "Es gab vermutlich mehr Anordnungen durch die Staatsanwaltschaft", meint er. Die finanzielle Ausstattung wird hingegen schlechter. Das Institut ist der Universitätsklinik angeschlossen und der Wissenschaftsetat steht ohnehin unter Druck.

Rote Zahlen sind programmiert. Denn nach dem bundeseinheitlichen Justizentschädigungs- und Vergütungsgesetz werden die Gerichtsmediziner nach Fallpauschalen bezahlt. Im Regelfall erhalten die Gutachter 195 Euro pro Obduzent und Leichenöffnung. "Ein Witz, wenn man bedenkt, dass die Obduktion nur kostendeckend sein würde, wenn sie eine Stunde dauert. Unter vier Stunden bekommt man das aber gar nicht hin", erklärt er. Denn die Kostenerstattung sollte normalerweise auch die Rechnungen für Strom, Wasser und Geräte decken. Eine durchschnittliche forensische Untersuchung dauere oft mehrere Stunden.

Lessig: "Allein die erste Sichtung, äußerliche präzise Beschreibung und fotografische Dokumentation nehmen oft schon mehr als eine Stunde in Anspruch."

Während das Justizministerium die zu niedrigen gesetzlichen Fallpauschalen als Hauptarbeitgeber des Institutes abrechnet, müssen die eigentliche Zeche die Universitätskliniken zahlen. Lessig: "Wir straffen jetzt schon unsere Arbeit und legen Abteilungen zusammen. Schließlich bilden wir ja auch an den Unikliniken noch Studenten aus."

Aus diesem Grund wurde die Molekulargenetik (DNA-Untersuchungen) nach Halle ausgegliedert, während die Toxikologie (Blut- und Drogenuntersuchungen) mit ihrem Schwerpunkt in Magdeburg bleiben soll.

Die Forensische Pathologie (Obduktionen) bleibe an beiden Standorten erhalten. "Allerdings müssen wir sehen, dass wir die Mitarbeiter flexibler einsetzen. Anders wird es mit dem wenigen Personal nicht gehen", so Lessig, der seinen Lehrstuhl in Halle hat.

Justizstaatssekretär Thomas Wünsch (SPD): "Wichtig ist es, dass es eine Dienstleistung aus einer Hand gibt. Für uns und auch für Forschung und Lehre." Welches Ministerium am Ende dafür in Frage komme, sei noch offen.

Auch die Gründung eines eigenständigen Landesamtes ist vorstellbar. Das würde auch ein endgültiges finanzielles Abkoppeln von den Etats der Unikliniken ermöglichen. Wünsch: "Wenn wir personell etwas verändern wollen, dann brauchen wir auch den vollen Zugriff. Einfach nur Geld herüberschieben können wir nach dem Haushaltsrecht nicht."

Zudem könnte bald nach dem Bundesgesetz die Vergütung der "Fallpauschalen" um 15 bis 20 Prozent angehoben werden. Eine Gesetzesänderung befindet sich in zweiter Lesung im Bundestag. Die Länder forderten schon seit Jahren ein Angeben des Satzes.

Die Zukunft der Rechtsmedizin wird morgen im Landtag auf Antrag der Linken-Fraktion diskutiert. Gefordert wird eine langfristige Lösung und Erhalt beider Standorte.