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Im Gerichtsprozess um das unnötige Ziehen von Zähnen wird am 22. Mai das Urteil erwartet "Dr. Zahnlos" praktiziert auch in der Insolvenz weiter

Von Wolfgang Biermann 16.05.2013, 01:13

Stendal l Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Stendal wegen des unnötigen Ziehens von elf Zähnen durch den Zahnarzt Thorsten S. aus Havelberg (Landkreis Stendal) ist gestern die Beweisaufnahme abgeschlossen worden.

Thorsten S. soll am 14. April 2010 einer 41-jährigen Patientin im Zustand der Vollnarkose ohne deren Zustimmung elf Zähne gezogen haben, was er aber bestreitet (Volksstimme berichtete). Er hätte die sogenannte Angstpatientin umfassend über das mögliche Extrahieren der elf Zähne aufgeklärt, gab er an. Das Amtsgericht Stendal hatte ihm nicht geglaubt und zu einer 15-monatigen Haftstrafe verurteilt. Außerdem erteilten ihm die Richter ein zweijähriges Berufsverbot.

Zwei Professoren der Universitätsklinik Halle sagten gestern vor dem Landgericht aus, dass anhand des seinerzeit zur Verfügung stehenden Röntgenbildes und der Information der überweisenden Zahnärztin lediglich bei zwei Zähnen "wahrscheinlich die Grenze der Erhaltbarkeit überschritten gewesen" sei. Alle anderen Zähne seien intakt gewesen. Es hätte "eine Vielzahl von Optionen zum Erhalt der Zähne" gegeben, sagte Professor Johannes Schubert. "Für einige Zähne gab es den Anhalt, dass eine Extrahierung nötig wäre, nicht für alle", pflichtete Prof. Jürgen Setz bei. Eigene Untersuchungen vor der im Krankenhaus Seehausen (Altmark) durchgeführten Operation hatte S. nach eigenem Bekunden nicht vorgenommen.

Wie gestern durch Verlesen durch den Vorsitzenden Richter Gundolf Rüge bekannt wurde, stand der vierfach vorbestrafte S. im Mittelpunkt zahlreicher Ermittlungen und Prozesse, unter anderem wegen des unberechtigten Führens eines Doktortitels und wegen Abrechnungsbetrugs.

Einem 20-Jährigen hat er in Narkose 20 Zähne ohne Notwendigkeit gezogen. Auf Betreiben der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt hat ihm das Landesverwaltungsamt 2011 die Approbation entzogen. Das Verwaltungsgericht Magdeburg bestätigte jüngst den Zulassungsentzug. S. ist inzwischen in Insolvenz, praktiziert aber weiter. Am 22. Mai soll das Urteil gesprochen werden.