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Studenten schleudern Ministerpräsident Haseloff ihre Wut entgegen "Morgen stürzt, wer sinnlos kürzt"

Von Elisa Sowieja 16.05.2013, 03:14

Halle l Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat gestern Abend wegen seiner Kürzungspläne für Hochschulen geballte Schelte kassiert. Knapp 4000 Demonstranten pfiffen ihn aus, als er sich in Halle zum ersten Mal öffentlich dem seit Wochen schwelenden Protest stellte.

Einfach macht es der Landeschef den Studenten und Gewerkschaftern auf der Bühne nicht. Bevor er kommt, müssen sie dem Publikum seine Regeln erklären: "Herr Haseloff hat darum gebeten, dass er Fragen nur beantwortet, wenn wir sie a) vorab schriftlich stellen, b) er Zeit hat, sich vorzubereiten und c) Ruhe herrscht, wenn er spricht."

Nach einem ausgiebigen Pfeifkonzert rufen die Demonstranten brav sechs Fragen nach vorn, zum Beispiel "Warum spart man an der einzigen Ressource, die wir haben - der Bildung?" oder "Wie wäre es, wenn man statt bei Hochschulen bei den Abgeordnetendiäten einspart?"

Als Haseloff nach dem ersten Redner auf die Bühne tritt, gibt er sich souverän: Lächelt freundlich und schüttelt sogar die Hand eines Studenten mit Hasenohren auf dem Kopf - passend zum Spruch auf der Einladung zur Demo im Internet: "Mein Name ist Hase(loff), ich weiß von nichts." Dann studiert er ausgiebig die notierten Fragen und tritt ans Mikrofon. "Ich bin gern gekommen", sagt er - und kassiert prompt Buhrufe. Danach erzählt Haseloff, der zuvor unter anderen mit dem Rektor der Hallenser Universität und Studenten gesprochen hat, dass er viel mehr solcher Gespräche plane. Auch damit punktet er nicht.

Nächster Versuch: "Sie glauben doch nicht, dass ich als Wittenberger diese Universität in Frage stelle. Standortdiskussionen sind nirgendwo beschlossen. Es geht darum, wie sich die Hochschulen profilieren. In Magdeburg und Halle sind die Kooperationsmöglichkeiten längst nicht erschöpft." Wieder sind Pfiffe und Parolen das Echo: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut." Dazu schwenken die Demonstranten Plakate. "Morgen stürzt, wer sinnlos kürzt", steht etwa darauf. Oder "Hochschulpolitik im Land ohne Herz und Verstand".

"Schade, dass Sie unsere Fragen nicht gezielt beantwortet haben."

Dann geht er einen Schritt zurück, am Mikrofon folgen Sticheleien von Studenten: "Schade, dass Sie unsere Fragen nicht gezielt beantwortet haben. Aber ich kann sie Ihnen gern schriftlich schicken." Auch der Hallenser Rektor Udo Sträter macht mit: "Eigentlich glaube ich nicht an Horoskope. Aber ausgerechnet heute stand bei meinem Sternzeichen: Verlassen Sie sich nicht auf vage Versprechungen!"

Also versucht Haseloff noch einmal, die Wogen zu glätten. Er könne jetzt zwar nicht zu allen Fragen Stellung nehmen. Aber er werde sie schriftlich auf einer Internetseite beantworten, die er einrichten lassen wolle.

Dann setzt er zumindest bei einer der sechs Fragen zu einer Antwort an - zu der, warum man ausgerechnet bei Bildung sparen will. "An der Ressource Bildung sparen wir nicht", sagt er. "Bildung ist ein Gesamtkonzept, das ..." Der Rest des Satzes ist kaum zu verstehen. Zu laut sind die Rufe der Demonstranten: "Lügner! Lügner!"

Die Großdemonstration gegen Hochschulkürzungen war bereits die zweite in Halle. Zu einer Kundgebung vor zwei Wochen waren 7000 Menschen gekommen. In Magdeburg gehen Studenten und Hochschulmitarbeiter am 29. Mai auf die Straße. Die Organisatoren rechnen mit 10000 Teilnehmern.

Hintergrund des Protestes ist ein scharfer Sparkurs, den Haseloff und Finanzminister Bullerjahn im März verkündet haben. Auch bei den Hochschulen und Unikliniken soll der Rotstift angesetzt werden. Ihnen soll das 430 Millionen Euro große Jahresbudget bis 2025 schrittweise um 50 Millionen Euro gekürzt werden. Ab 2015 beginnend sind jährliche Kürzungen von 5 Millionen Euro vorgesehen. In Erwägung gezogen wurde auch eine Schließung der Uniklinik Halle.

Haseloff und Bullerjahn konnnten sich bislang aber selbst in den eigenen Reihen mit diesem Vorschlag nicht durchsetzen. Wissenschaftsministerin Wolff kritisierte die Kürzungen als zu hart und machte einen Gegenvorschlag. Haseloff warf die Ministerin daraufhin im April aus dem Kabinett. Wolff wurde auch verübelt, dass sie in den letzten beiden Jahren kein Hochschulentwicklungskonzept vorgelegt hatte.

Danach verschärften sich die Proteste. Auch wegen des Stils, da Haseloff die Ministerin am Telefon kündigte. Bis heute gab es kein Gespräch. "Das bedaure ich", sagte Haseloff gestern. Ein Gepräch sei aus zeitlichen Gründen bislang nicht möglich gewesen, soll es aber noch geben. Haseloff und Bullerjahn stehen unter Dauerbeschuss. Vor allem in der SPD rumort es - unter anderem wegen eines neuen Finanzgutachtens, mit dem Bullerjahn seinen Kurs untermauern wollte. Die Ministerrunde will dieses heute offiziell beraten.