1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. "Ich sollte Leute einfangen"

Ex-Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" "Ich sollte Leute einfangen"

16.05.2013, 01:14

Die am 19. April gefeuerte Ministerin Birgitta Wolff (CDU) äußert sich heute im Interview mit der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" erstmals ausführlich zu den Vorgängen in Magdeburg. Wir drucken Auszüge.

Frage: Im April katapultierten Sie sich geradezu selbst aus dem Amt: In einem Interview prangerten Sie die Sparpolitik der eigenen Regierung an. Wieso?

Birgitta Wolff: Mit meiner Kritik war ich ja weder die Erste noch die Einzige im Kabinett. Und es ist nach den üblichen Spielregeln durchaus Aufgabe von Fachministern, nicht den Eindruck zu erwecken, Einsparvorgaben blind zu folgen, sondern für die jeweiligen Ressorts zu kämpfen. Ich glaube auch nach wie vor nicht, dass ich Unsinniges vorgeschlagen habe. Ich habe versucht, das Land und den Ministerpräsidenten vor eventuellen Fehlentscheidungen zu bewahren. Ich finde, das war mein Job.

Frage: Wie reagierte Herr Haseloff auf die Kritik?

Wolff: Nach dem Erscheinen des Interviews, zwei Tage vor Bekanntgabe meiner Entlassung, hat er mich einbestellt. Er war sehr heftig - auf seine Art. Er ist ja keiner, der rumbrüllt. Danach habe ich normal meine Arbeit gemacht, war am Freitag bei einem Termin am Geiseltalsee. (...) Während der Veranstaltung bat mich mein Referent, sofort den Ministerpräsidenten zurückzurufen. (...)

Frage: Was kam dann?

Wolff: Herr Haseloff teilte mir mit, dass er in etwa einer Stunde bei einer Pressekonferenz eine Personalentscheidung bekanntgeben würde - und zwar die über meine Entlassung. Er sagte, es fehle einfach die Vertrauensbasis. Das stimme, antwortete ich. Auf meine Nachfrage hin verriet er mir noch, dass Hartmut Möllring mein Nachfolger würde. Ich bot Reiner Haseloff an, bei der Pressekonferenz dabei zu sein. Aber das war nicht gewünscht. (...) Nachher erfuhr ich, dass bei der Pressekonferenz mein Nachfolger schon dabei war. Mein Angebot teilzunehmen, hätte ich aber auch mit diesem Wissen aufrechterhalten.

Frage: Das hätten Sie sich angetan?

Wolff: Warum denn nicht? Es gehört doch auch dazu, mit Würde zu gehen.

Frage: Nach Ihrer Entlassung gab es heftige Kritik an Reiner Haseloff und Jens Bullerjahn, dem SPD-Finanzminister, der Ihren Rauswurf erzwungen haben soll. Haseloff gestand schließlich ein: Er müsse zwischenmenschlich "nacharbeiten". Hat er das getan?

Wolff: Was immer er unter "nacharbeiten" versteht - wir hatten seit meiner Entlassung keinen Kontakt. Dafür riefen gleich nach Bekanntgabe der Entlassung viele andere bei mir an, Wolfgang Böhmer zum Beispiel, der frühere Ministerpräsident. Er hatte mich ja 2010 zum ersten Mal zur Ministerin berufen.

Frage: Haben Ihre Mitarbeiter Sie verabschiedet?

Wolff: (...) Einige waren sehr, sehr traurig. Und das war dann auch für mich echt hart. (...) Die Truppe hatte dann alle möglichen Getränke zusammengesucht, die wir jemals geschenkt bekommen, aber nie angefasst hatten. In einem spontanen Ausstand leerten wir sie alle. (...)

Frage: Inzwischen sind ein paar Wochen vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

Wolff: Gut. Ich hadere nicht. Spannungen zwischen der Staatskanzlei und mir gab es ja schon länger. Herr Haseloff hat mir vorgeworfen, ich sei nicht beeinflussbar. Ich denke, ich bin sehr beeinflussbar - vor allem mit guten Argumenten.

Frage: Die gab es nicht?

Wolff: Es gab häufig "klare Ansagen". Und dafür bin ich kaum empfänglich, wenn sie nicht inhaltlich plausibel sind. Dieser Stil funktioniert schon in eigentümergeführten Unternehmen nicht gut. Und ich glaube, in demokratisch verfassten Regierungen sollte er erst recht keinen Platz haben.

Frage: Pflegt Haseloff diesen Stil schon immer?

Wolff: Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren so entwickelt. Eine Spannung entsteht auch durch das Verhältnis zwischen Reiner Haseloff und Jens Bullerjahn. Im Kabinett Böhmer war vollkommen klar, wer der Regierungschef ist und wer der Minister. Herr Böhmer konnte auch die impulsiven Momente von Jens Bullerjahn gut moderieren. Diese Grundruhe fehlte dem Kabinett zuletzt.

Frage: Sie sagten einmal, Sie könnten sich konstruktiv mit Herrn Haseloff streiten. Wieso hörte das auf?

Wolff: Meine Wahrnehmung war, dass er "durchregieren" wollte. Derartige Vokabeln fielen zunehmend. Ich sollte "Leute einfangen", seien es Kammerpräsidenten oder Hochschulrektoren. Was ist denn das für eine Wortwahl? So etwas ist nicht gut für die politische Kultur.

Frage: Warum haben Sie sich überhaupt über der Hochschulpolitik so zerstritten?

Wolff: Weil Staatskanzlei und Finanzministerium den Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine Schrumpfkur zumuten wollten, die die Zukunftsperspektiven des Landes verschlechterte. (...)

Frage: Die Budgets werden nun einmal kleiner.

Wolff: Natürlich. Wir müssen sehen, dass wir in ausgewählten Bereichen besonders gut, vielleicht auch exzellent werden. Dafür werden sich unsere mittelgroßen Unis vom Gedanken der Volluniversität verabschieden müssen. (...)

Frage: Sachsen profiliert sich seit der Wende als Land der Schuldenbremse, Sachsen-Anhalt will diesen Weg nun auch gehen. Ist das denn falsch?

Wolff: Nein, ich finde die Erkenntnis, dass man nur das ausgeben kann, was man vorher verdient hat, ganz, ganz wichtig (...). Aber wir müssen zugleich darauf achten, dass wir zukünftig mehr Steuern einnehmen. Dafür brauchen wir florierende Unternehmen und gute Fachkräfte - und auch deshalb brauchen wir starke Hochschulen, die qualifizierte junge Menschen ins Land locken beziehungsweise vom Abwandern abhalten.

Frage: Sie kennen den Beschluss der Regierungsfraktionen?

Wolff: Natürlich. Sie haben im Sparkurs andere Schwerpunkte gesetzt.

Frage: Das war Ihre Forderung. Sie haben Ihr Ziel erreicht, sind aber den Job los.

Wolff: Es ist doch tröstlich, wenn die Aufregung um meine Entlassung dazu beigetragen haben sollte, dass die Fraktionen und die Regierung den Sparkurs überdenken. Ich bemesse meinen politischen Erfolg nicht daran, wie lange ich auf dem Ministerstuhl klebe.

Das ganze Interview lesen Sie heute in der "Zeit".