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Vier Haflinger vergiften sich im Herbst am Samen des Bergahorns in Hadmersleben Pferdesterben auch in Sachsen-Anhalt

Offensichtlich gibt es auch in der Börde vergiftete Tiere, die an der
mysteriösen Krankheit "atypische Weidemyopathie" verendeten. Vier
Haflinger waren Ende Oktober auf einer Koppel in Hadmersleben betroffen.
Mindestens neun Todesfälle gibt es insgesamt in der Börde und
Mansfeld-Südharz.

Von Matthias Fricke 29.11.2013, 02:12

Hadmersleben. Es ist der 29. Oktober gegen 7.15 Uhr, als Heidi Grothe den zur Koppel hin offenen Pferdestall betritt. Die dreijährige Leitstute "Nomie" liegt am Boden. Sie kommt nicht mehr hoch, liegt in einer rotbraunen Urinlache. Die Hadmersleberin bekommt es mit der Angst zu tun, ruft den Tierarzt.

Dr. Karsten Müller eilt zum Anwesen der Familie und kann sich zunächst die Krankheit nicht erklären. Er erinnert sich aber an einen Beitrag in einem medizinischen Fachblatt über die seltene "atypische Weidemyopathie".

Die klinischen Symptome stimmen zumindest überein. Noch am Nachmittag verendet "Nomie". Inzwischen hat sich auch die zweijährige Stute "Alegra" auf die Seite gelegt. Das Pferd ist ganz nass, die Muskeln zittern. Heidi Grothe reibt die Haflinger-Stute immer wieder mit Stroh trocken. Doch es hilft alles nicht. Am nächsten Morgen findet sie das Pferd tot im Stall.

Tierarzt Karsten Müller nimmt von den beiden noch lebenden Pferden Blut ab. Das Labor entdeckt extrem erhöhte Muskelenzymwerte. Sie liegen zum Teil 810-fach höher als normal. Da auch die beiden übrig gebliebenen Pferde deutliche Anzeichen der Krankheit zeigen, entschließen sich Pferdebesitzer Josef Wesseler und seine Lebenspartnerin Heidi Grothe, beide Tiere von ihrem Leiden erlösen zu lassen. Sie werden eingeschläfert. "Es ist so schrecklich, man kann am Ende nur noch zusehen", sagt die Hadmersleberin. Dabei hatte die Familie die vier Haflinger erst Ende April 2012 gekauft. Heidi Grothe: "Unsere neunjährige Enkelin nahm extra Reitunterricht und wollte mit den Pferden ausreiten. Daraus wird nun nichts mehr."

Dass ausgerechnet die schattenreiche Koppel mit ihren schönen Ahornbäumen, darunter auch mehrere Bergahorne, die mögliche Todesursache sein könnte, hätte sie nie gedacht.

Dr. Mandy Bochnia aus der Professur für Tierernährung der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg hat zumindest den Verdacht. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes untersucht sie die mysteriösen Todesfälle, auch die der vier Pferde in Hadmersleben. Insgesamt beschäftigt sie sich mit neun Weidemyopathie-Fällen in der Börde und dem Bereich Mansfeld-Südharz. "Dabei haben wir Boden- und Pflanzenproben genommen. Auffällig war, dass an allen Koppeln Bergahorn zumindest im näheren Umfeld stand", sagt sie.

Der Bergahorn-Samen produziert das pflanzliche Gift Hypoglycin A. Nach Aufnahme erkranken die Tiere vor allem im Herbst und auch im Frühjahr. In einigen Jahren kommt es zu besonders vielen Todesfällen. So 2009 in Nordrhein-Westfalen und auch in diesem Jahr in Sachsen-Anhalt. Die Wissenschaftlerin vermutet hinter den erhöhten Giftwerten einen Befall des Bergahorns durch die Teerfleckenkrankheit. "Möglicherweise produziert die Pflanze als Reaktion darauf wiederum mehr Hypoglycin A und wird dadurch giftiger", meint sie. Pferdebesitzer sollten deshalb schon im September ihre Tiere einstallen, wenn Bergahorn auf der Koppel steht.

Nach Angaben von Prof. Heidrun Gehlen von der Klinik für Pferde an der Freien Universität Berlin sind in Deutschland etwa 50 bis 60 Fälle in diesem Jahr gemeldet worden. 120 waren es europaweit. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da die Fälle oft nicht gemeldet werden.