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57 Prozent in Sachsen-Anhalt beziehen Hartz IV Politik lässt Alleinerziehende im Stich

Obwohl Alleinerziehende durch Beruf, Erziehung und Haushalt stärker
belastet sind als Paare, hat die Politik mit Reformen den finanziellen
Druck auf sie noch erhöht. Das zeigt eine Studie der
Bertelsmann-Stiftung, die heute veröffentlicht wird.

09.03.2014, 17:11

Magdeburg l Fast 40 Prozent der 1,6 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland sind auf die staatliche Grundsicherung angewiesen. Im Vergleich zu Paaren beziehen sie fünfmal häufiger Hartz IV. Ein noch dramatischeres Bild ergibt sich für Sachsen-Anhalt: 2013 bezogen hier fast 57 Prozent der rund 28.000 Ein-Eltern-Familien Hartz IV. Und: Die "Hilfequote" steigt mit der Anzahl der Kinder. Unter Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern liegt sie bei 77 Prozent.

Die Studie stellt der Politik ein schlechtes Zeugnis für die vergangenen zehn Jahre aus. Seit der Unterhaltsreform 2008 können Alleinerziehende von ihrem Ex-Partner kein Geld mehr für ihre Erziehungsarbeit erwarten, sobald ihr Kind älter als drei Jahre ist und anderweitig betreut werden kann.

Unterhalt niedrig, Steuersatz zu hoch

Zudem reicht der Kindesunterhalt oft nicht aus: In zwei Drittel der Fälle werden Unterhaltszahlungen vereinbart, die unterhalb des Existenzminimums liegen - und nur für jedes zweite Kind wird der vereinbarte Unterhalt tatsächlich gezahlt. Zahlt der unterhaltspflichtige Elternteil nachweislich nicht, können Alleinerziehende zwar beim Staat einen Unterhaltsvorschuss beantragen. Aber nur, wenn das Kind jünger als zwölf Jahre ist und lediglich für eine Dauer von maximal sechs Jahren.

Der Studie zufolge erhöht neben dem Unterhaltsrecht auch das Steuerrecht den finanziellen Druck auf Ein-Eltern-Familien. 2003 wurde der höhere Haushaltsfreibetrag für sie abgeschafft. Der seit 2004 geltende, deutlich niedrigere Entlastungsbetrag führt dazu, dass Alleinerziehende fast so besteuert werden wie Singles. Eine gering verdienende Alleinerziehende hat laut Studie demnach lediglich eine Steuer-ersparnis von 15 Euro pro Monat - unabhängig davon, wie viele Kinder sie versorgt.

Auch von sozialpolitischen Maßnahmen des Bundes profitieren Alleinerziehende laut Studie kaum. Den 2005 eingeführten Kinderzuschlag können Familien beantragen, wenn sie trotz eigenem Einkommen das Existenzminimum ihrer Kinder nicht decken können. Bei Alleinerziehenden wird aber der Kindesunterhalt als Einkommen angerechnet, so dass sie die Leistung meist gar nicht oder nicht in voller Höhe in Anspruch nehmen können.

"Wer Kinderarmut bekämpfen will, muss die rechtlichen und familienpolitischen Rahmenbedingungen für alleinerziehende Eltern verbessern", fordert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Die Experten fordern daher, beim Unterhaltsvorschuss Begrenzungen für Bezugsdauer und Alter aufzuheben. Außerdem müsste der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende deutlich erhöht werden. Und: Eine Erhöhung des Kinderzuschlags helfe Kindern Alleinerziehender nur dann, wenn der Unterhalt nicht mehr in bisheriger Form angerechnet würde.

Arbeitslosigkeit um fünf Prozent gestiegen

Auch Sachsen-Anhalt muss nach Einschätzung von Arbeitmarktexperten mehr tun. Zwar gibt es mittlerweile ein flächendeckendes Netz mit Kindertagesstätten. Doch nur die wenigsten haben auch in "Randzeiten", etwa abends oder am Wochenende, geöffnet, kritisiert Kay Senius, Chef der Landes-Arbeitsagentur. So sei es vielen Eltern kaum möglich, einer Beschäftigung nachzugehen. Das zeigt auch die Statistik: Entgegen dem allgemeinen Trend nahm die Arbeitslosigkeit bei Alleinerziehenden in Sachsen-Anhalt 2013 um fünf Prozent zu.