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Rechnungshof kritisiert Regierungskoalition Der Griff in die Gemeindekasse

Sinkende Steuerprognose und steigende Tilgungslasten machen den
Gemeinden zu schaffen. Das Land müsste diese Defizite ausgleichen. Doch
die Koalition weigert sich. Der Rechnungshof nennt das unseriös. Die
Kommunen nennen es verfassungswidrig. Es geht um 100 Millionen Euro.

Von Jens Schmidt 26.11.2014, 02:07

Magdeburg l Sachsen-Anhalts Kommunen nehmen im Jahr gut 1,4 Milliarden Euro Steuern ein. Doch damit sind die Ausgaben für Kita, Schule und Feuerwehr längst nicht gedeckt. Um alle Rechnungen zu bezahlen, gibt es einen Finanzausgleich vom Land. In dem Topf liegen weitere gut 1,4 Milliarden Euro. Die Feinverteilung wird im Finanzausgleichsgesetz (FAG) geregelt - darüber hat der Landtag das letzte Wort.

Jedoch soll ein Grundsatz Willkür verhindern: Sinken in den kommenden zwei Jahren die Einnahmen in den Kommunen, muss das Land mehr ausgleichen. Doch dieser Grundsatz steht nun auf der Kippe. Zum Fakt: Als die Regierung ihren FAG-Entwurf im Spätsommer vorlegte, ging man noch von jährlich gut 1,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen für die Gemeinden aus. Basis dafür war die Prognose vom Mai. Die Steuerschätzer errechneten im November aber, dass die Einnahmen für 2015 und 2016 um insgesamt gut 60 Millionen niedriger ausfallen werden. Nun erwarteten alle Bürgermeister und Landräte, dass das Land 60 Millionen Euro drauflegt. Doch da werden sie enttäuscht. Mittlerweile liegt der FAG-Entwurf im Landtag - die Steuerdelle auszugleichen, wäre Sache der Fraktionen. Doch die CDU-SPD-Koalition weigert sich.

Nun bekommen die protestierenden Kommunalpolitiker Rückendeckung von Rechnungshofpräsident Ralf Seibicke. Ausgerechnet vom obersten Kassenprüfer, der ja äußerst selten für Mehrausgaben wirbt. "Wenn der Landtag die Mittel nicht aufstockt, ist das systemwidrig und in hohem Maße unseriös." Auf gut Deutsch: Das sind böse Tricks.

Seibicke ist unverständlich, wie man auf die Idee kommen kann, den Kommunen dieses Geld zu verweigern. Schließlich würden die Fraktionen ihren Landeshaushalt ja auch korrigieren, wenn sich Steuerprognosen ändern.

In der Koalition heißt es, eine Aufstockung sei nicht machbar. Basis sei laut Gesetz die Mai-Steuerschätzung, sagen übereinstimmend CDU-Fraktionschef André Schröder und SPD-Fraktionsvize Rüdiger Erben. Seibicke hält das für eine Ausrede. Das Gesetz sage etwas anderes: Im Mai 2015 werde lediglich geschaut, ob die geplanten Werte für 2016 korrigiert werden müssen. "Wir stehen aber vor einer neuen zweijährigen Finanzperiode." Das heißt: Für 2015 müsse selbstverständlich die aktuelle Entwicklung vom November 2014 berücksichtigt werden. Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund sagt: "Das Land enthält uns allein hier 60 Millionen Euro vor." Heinz-Lother Theel, Geschäftsführer des Landkreistages, meint: "Das ist verfassungswidrig." Eine Klage wird erwogen.

Auch Tilgungshilfe wird unsachgemäß gekürzt

Seibicke hält eine weitere Kürzung für systemwidrig. Dabei geht es um Tilgungen. Auch das sind Kosten. Die Invest-Kredite der Gemeinden funktionieren wie Annuitätendarlehen für Häuslebauer: Mit den Jahren sinkt zwar die Zinslast, es steigt aber der Tilgungsanteil. Doch das Land kürzt die Tilgungshilfe. Zwar haben die Fraktionen den Regierungsrotstift schon abgeschwächt.

Doch für die nächsten beiden Jahre steht hier ein Minus von insgesamt 37 Millionen Euro. "Das ist nicht gerechtfertigt", sagt Seibicke. Tilgungs- und Steuerausgleich machen zusammen fast 100 Millionen Euro aus, die das Land den Kommunen mehr geben müsste.