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Ackerflächen in Sachsen-Anhalt Umkämpftes Land

16.01.2015, 01:02

Magdeburg | Reiche Anleger, Banken und Unternehmen kaufen den Landwirten in Sachsen-Anhalt zunehmend die Ackerflächen weg, weil lukrative Renditen winken. Agrarminister Aeikens will die Spekulanten zurückdrängen. Im Interview mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen spricht er über seine Pläne.

Volksstimme: Herr Aeikens, die Landwirte haben zunehmend Probleme, Land zu kaufen oder zu pachten. Warum?
Hermann Onko Aeikens: Die Preise für Land haben sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht. Wir registrieren seit 2007 Steigerungen von mehr als hundert Prozent. In manchen Regionen muss man für einen Hektar Boden mittlerweile 40000 Euro zahlen. Das können die Bauern nicht mehr über ihre Erträge erwirtschaften.

Wer treibt die Bodenpreise so nach oben?
Es gibt zunehmend Konkurrenz auf dem Bodenmarkt durch externe Kapitalanleger. Der Börsen-Schock 2008 steckt bei vielen noch in den Knochen. Zudem gibt es nur sehr niedrige Zinsen für Sparguthaben und Anleihen, und die Kurse für Aktien schwanken auch. Das führt dazu, dass Bankberater Vermögenden raten, in Land- und Forstwirtschaft zu investieren, und viele tun das auch. Wir haben beobachten können, dass viele Flächen aufgekauft und bewirtschaftet werden - von Familien, die nie etwas mit Landwirtschaft zu tun hatten. Auch Industrielle und Fondsgesellschaften haben Ackerland als Anlagemöglichkeit für sich entdeckt.

Welche Folgen hat das für Sachsen-Anhalt?
Einerseits werden die Wettbewerbsverhältnisse verzerrt. Ein Kapitalanleger ist finanziell besser ausgestattet als der regionale Landwirt, der sein Einkommen aus den Erträgen der Landwirtschaft bestreiten muss. Andererseits bekommen wir zunehmend eine Landwirtschaft, die nicht mehr von den Menschen im Dorf bestimmt wird, sondern extern. Das führt auch dazu, dass die Wertschöpfung in andere Regionen abwandert und Einkommenssteuern nicht mehr hier, sondern woanders gezahlt werden. Und das ist besonders schwierig in einem Bundesland, in dem wir Gebiete haben, in dem Land- und Forstwirtschaft fast die einzigen wirtschaftlichen Aktivitäten darstellen. Das trifft zum Beispiel auf Teile der Altmark zu.

Wenn Kapitalanleger Boden kaufen, was machen sie denn anschließend damit? Sie sagten selbst, die Anleger haben häufig keine Kenntnisse über landwirtschaftliche Produktion.
Da wird Management eingekauft, das ist überhaupt kein Problem. Zum Teil handelt es sich dabei um Großbetriebe, die in mehreren Bundesländern dann mehr als 20000 Hektar bewirtschaften. Und diese Betriebe haben Technik- und Personalstützpunkte, die von dort aus die Flächen bewirtschaften.

Das macht uns erhebliche Sorgen, weil auch die Akzeptanz der Landwirtschaft weiter darunter leidet. Wir haben schon Diskussionen über die Art der Tierhaltung, die viele Bürger umtreibt. Ich frage mich, ob hier nicht Strukturen kreiert werden, die die Gesellschaft nicht will. Wenn wir in Zukunft nur noch Unternehmen mit 20000 Hektar haben, dann brauchen wir künftig in Deutschland ganze 800 Landwirtschaftsunternehmen, um die gesamte Nutzfläche vom Bodensee bis zur Ostsee zu bewirtschaften. Ich glaube, dass wir in Deutschland von der Vielfalt der Agrarstrukturen leben. Noch haben wir mehr als 280.000 Betriebe, sie prägen unsere Dörfer. Wenn wir vor Ort ansässige Landwirte haben, dann sind die in der Regel im Gemeinderat, im Kirchenrat, bei der Feuerwehr - sie engagieren sich vor Ort. Externe Bewirtschafter sind natürlich nicht so mit den Dörfern verbunden. Landwirtschaft muss im und für das Dorf sein.

Wie wollen Sie die regionalen Landwirte beim Kaufen oder Pachten von Boden künftig unterstützen?
Wir müssen den rechtlichen Rahmen verändern, der es externen Kapitalanlegern momentan ermöglicht, Boden und Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen-Anhalt zu kaufen. Es gibt zwar bereits einen Schutzmechanismus für regionale Landwirte, doch der greift derzeit nicht richtig.

Ein Beispiel: Will ein Bauer sein Land verkaufen, kann die zuständige Behörde feststellen, dass der Käufer kein Landwirt ist und kann nach anderen Landwirtschaftsbetrieben suchen, die womöglich das angebotene Land auch kaufen würden. Wenn aber ein Investor einen Betrieb oder Anteile von GmbHs oder Genossenschaften kauft, sieht das anders aus. In dem Fall kann der Betrieb mit den dazugehörenden Flächen gleich in das Eigentum des Investors übergehen. Hier liegt eine Ungleichbehandlung vor, denn hier greifen die Schutzmechanismen zugunsten ländlicher Betriebe nicht.

Gibt es Zahlen, in wie viel Betrieben Sachsen-Anhalts sich externe Investoren bereits eingekauft haben?
Das genaue Ausmaß ist uns leider nicht bekannt. Wir kennen die Ergebnisse einer Studie für die Börde. Da kam heraus, dass mittlerweile in jedem dritten Betrieb auch Kapitalanleger mitmischen.

Wie wollen Sie es den externen Anlegern künftig erschweren, im Land auf Einkaufstour zu gehen?
Wir arbeiten jetzt an einem Bodenrecht, das die Ungleichbehandlung zwischen dem Verkauf unter Privaten und Anteilsverkäufen beziehungsweise Betriebsübernahmen aufheben soll. Wir wollen also sowohl den Handel von Flächen als auch den Kauf von Anteilen an Landwirtschaftsbetrieben regulieren. Außerdem soll es künftig möglich sein, den Verkauf von Land zu untersagen, wenn der Preis den Verkehrswert der Fläche um mehr als 50 Prozent übersteigt. Darüber hinaus soll die landeseigene Landgesellschaft stärker am Markt aktiv werden.

Inwiefern?
Das Land Sachsen-Anhalt hält ebenfalls Wald- und Ackerflächen über seine Landgesellschaft vor und verkauft beziehungsweise verpachtet sie an Landwirte. Künftig soll die Gesellschaft in der Lage sein, Boden von Landwirten aufzukaufen, damit diese das Land nicht an externe Investoren verkaufen. Die Gesellschaft hält das gekaufte Land dann, bis sich ein landwirtschaftlicher Käufer aus der Region findet. Neben dem Land verkauft auch der Bund Ackerflächen. Diese Flächen wollen wir über die Landgesellschaft komplett erwerben und nach unseren Kriterien dann an regionale Landwirte weiterverkaufen.

Kann sich das Land den Kauf der Flächen denn leisten?
Der Landeshaushalt wird mit dem Landkauf nicht belastet. Wir wollen den Kauf komplett über die Landgesellschaft abwickeln. Und momentan helfen dabei die historisch niedrigen Zinsen, die es der Gesellschaft ermöglichen, den Kauf zu finanzieren.

Wie wollen Sie denn verhindern, dass Investoren statt Boden gleich ganze Betriebe aufkaufen?
Einerseits wollen wir es der Landgesellschaft per Gesetz erlauben, selbst Betriebe aufzukaufen, bevor sie an Investoren gehen und sich kein anderer Landwirt findet, der investieren will. Außerdem wollen wir die Kriterien verschärfen, die ein Käufer erfüllen muss, wenn er einen Betrieb oder Anteile davon kaufen will.

Kann das Land denn externe Investoren rechtlich so ohne Weiteres ausschließen?
Das ist natürlich schwierig. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir Kriterien definieren, die gerichtsfest sind und trotzdem noch wirken.

Ab wann ist mit dem neuen Bodengesetz zu rechnen?
Ich möchte noch im ersten Quartal dieses Jahres dem Landeskabinett einen Entwurf vorlegen. Eckpunkte zu dem Entwurf habe ich bereits den Fachpolitikern der Regierungsfraktionen und Verbänden vorgestellt und habe auch schon positive Rückmeldungen erhalten.