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Klagen gegen Humanas-Gruppe Altenpflege in der Grauzone

"In guten Händen" - so wirbt die Humanas-Gruppe aus Colbitz für ihre Wohnzentren. Doch die Firma ist wegen Betrugsverdachts ins Zwielicht geraten. Ein Beispielfall aus Darlingerode im Harz.

Von Steffen Honig 24.02.2015, 02:24

Magdeburg l Die Humanas-Gruppe aus Colbitz, Inhaber Jörg und Ina Biastoch, betreibt vier Seniorenwohnzentren in Meisdorf, Friedrichsbrunn, Darlingerode und Tangermünde. Ein weiteres in Colbitz ist im Bau. Jörg Biastoch ist zugleich Vorsitzender des Landesverbandes Alten- und Behindertenhilfe.

Seine Firma ist nach Volksstimme-Recherchen ins Visier der Pflegekassen-Prüfer geraten. Zwischen der AOK und der Barmer und Humanas gibt es juristische Auseinandersetzungen. Nähere Auskünfte wollten die Kassen-Vertreter nicht geben. Barmer-Landeschef Axel Wiedemann: "Es laufen staatsanwaltliche Ermittlungen."

Auf Nachfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Halberstadt: Gegen Humanas-Inhaber Jörg Biastoch lägen Anzeigen zweier Pflegekassen wegen Betrugs vor. Gegenwärtig werde geprüft, ob es einen Anfangsverdacht gebe. Für eine Humanas-Unterkunft im Wohnzentrum Darlingerode hatte sich im Vorjahr auch Frau Palko* aus dem Harzkreis interessiert. Sie bezog zwei Zimmer mit eigenem Haushalt. Der Wermutstropfen: Die betagte Dame (Pflegestufe 2) sollte auf ihren gewohnten ambulanten Pflegedienst verzichten. Die Pflege würde vom Personal aus dem stationären Bereich der Wohnanlage mit übernommen, wurde ihr bedeutet. Das Heim würde die Abrechnung mit der Pflegekasse übernehmen. Auch einen Mietvertrag gab es nicht, sondern einen so genannten Bewohnervertrag.

Krankenhaus: Desolater Pflegezustand

Frau Palko zog im Sommer des Vorjahres trotzdem ein - und bereute es schnell. Die Pflege der Seniorin, die einen Dauerkatheder trägt und an offenen Beinen leidet, entsprach in keinster Weise den Erfordernissen.

Einen "anamnestisch desolaten Pflegezustand" konstatiert der Behandlungsbericht über einen Krankenhausaufenthalt im Herbst 2014.

Zudem wurde der neuen Bewohnerin nach wenigen Wochen ein Antrag auf stationäre Pflege vorgelegt. Auf diesem war angegeben, dass "kein eigener Haushalt mehr" bestehe - obwohl die Seniorin darin lebte. Das unterschrieb Frau Palko nicht. Da auf der Monatsabrechnung auch keine Pflegeabrechnung auftauchte, dafür ein Posten "Investitionskosten", läuteten bei Verwandten und gesetzlicher Betreuerin die Alarmglocken. Sie forderten die Vorlage des Versorgungsvertrages, der zur ambulanten Pflege berechtigt.

Vergeblich, die Heimleitung legte ihn trotz hartnäckiger Nachfragen nicht vor und bestätigte das sogar schriftlich. Nachdem keine Einigung zustande kam, zog die Seniorin im November des Vorjahres aus - wieder in eine eigene Wohnung ohne Heim-Anschluss.

Humanas-Chef Jörg Biastoch sieht die Angelegenheit anders. Er verweist gegenüber der Volksstimme auf ein Grundsatzproblem: Demnach seien die Humanas-Seniorenzentren von der Heimaufsicht des Landes als stationäre Einrichtungen eingestuft worden. Die Sozialagentur als überörtlicher Träger der Sozialhilfe habe dies jedoch verweigert, so dass keine Versorgungsverträge mit den Pflegekassen zustande kamen. Humanas habe 2012 beim Sozialgericht geklagt. Biastoch: "Dieses Verfahren ist bis heute nicht bearbeitet worden."

Für die Heime hatte das keine Auswirkungen: Hier vollzog sich Seniorenbetreuung weiter in einer Grauzone zwischen ambulanter und stationärer Pflege.

Nach Biastochs Angaben sind die von ihm angebotenen Pflegewohnungen aber seit Januar 2015 als betreutes Wohnen definiert, was Mietverträge und Pflegedienst-Wahl einschließe. "Ab 1. März 2015 ist das gesamte Seniorenzentrum Darlingerode eine ambulante Einrichtung."

"Trennung im Unfrieden"

Zum beschriebenen Fall in Darlingerode meint Biastoch: "Leider schaffen auch wir es nicht, immer jeden Einzelnen zufrieden zu stellen." Den Angehörigen sei die Wohnung gezeigt worden, das Konzept habe man erläutert und "alle Informationen gemäß den gesetzlichen Vorgaben übergeben". Die betreuenden Personen hätten die Pflege "im eigenen Netzwerk absichern wollen". Doch dieses Netzwerk hätte versagt, das Heim sei unterstützend tätig geworden. Resultat: "Am Ende trennte man sich im Unfrieden." Ein zivilrechtliches Verfahren laufe.

Von den Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Halberstadt zeigt sich der Humanas-Inhaber überrascht: "Dies ist weder mir noch meiner Frau bekannt." Der Unternehmer räumt dafür etwas anderes ein: 2013/14 habe die Staatsanwaltschaft Stendal ein Ermittlungsverfahren auf Veranlassung von zwei Pflegekassen eingeleitet. Biastoch: "Dieses wurde jedoch vorläufig eingestellt, da es in einem engen Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht stehe."

(* Name von der Redaktion geändert.)