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Magdeburger Unternehmer über Flüchtlinge "Die Kosovaren wollen nur Arbeit"

Zu Tausenden fliehen Albaner aus dem Kosovo nach Deutschland. Besnik
Berisha ist Kosovare und lebt seit mehr als 20 Jahren in Magdeburg, hat
hier Familie und ist eingebürgert. Den Grund für den derzeitigen Exodus
sieht er in der Perspektivlosigkeit im Kosovo.

Von Steffen Honig 02.03.2015, 02:27

Magdeburg l Im Einfamilienhaus der Berishas im Magdeburger Westen geht es nicht anders zu als in einem deutschen Haushalt: Im Flur werden zuerst die Schuhe ausgezogen. Leonora Berisha bereitet nach der Begrüßung den Tee zu. Ihr Mann Besnik erzählt unterdessen seine Geschichte. Als er 1993 für die serbische Armee in den Bosnien-Krieg ziehen sollte, machte er sich allein auf den langen Weg nach Deutschland über Italien und die Schweiz.

Er landete zunächst bei Verwandten in Karlsruhe und kam dann in die Asylbewerber-Anlaufstelle in Halberstadt. Von dort aus ging es weiter nach Magdeburg. Berisha, gelernter Landwirtschaftstechniker, wollte arbeiten - so schnell wie möglich. "Nach vier Wochen bekam ich eine Arbeitserlaubnis und ging als Eisenflechter auf den Bau", sagt er. 1997 machte sich der Kosovare mit einer Baufirma selbstständig - die die neue Elbbrücke in Schönebeck miterrichtete - und heiratete. 2007 wurde er eingebürgert. Die Familie hat drei Kinder: Artina, Delvina und Kledis. Deutschland ist für die Berishas die neue Heimat geworden, das Kosovo die alte geblieben. "Ich persönlich fühle mich in Deutschland wohler", erklärt Berisha. Mit den Verhältnissen im Kosovo ist er aber weiter bestens vertraut: Die Eltern leben in der Nähe von Pristina. Zweimal im Jahr, in der Ferienzeit, fährt die Familie aus Magdeburg zu Besuch ins Balkanland.

Berisha weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut um die dort übliche Bestechung. Um den kranken Vater in Deutschland behandeln zu lassen, bemühte er sich um ein Besuchsvisum. Doch für die Ausstellung gibt es Termine, die schon auf Monate im Voraus vergeben sind. Rings um die deutsche Botschaft in der Kosovo-Hauptstadt Pristina gebe es allerdings Reiseagenturen, berichtet der 42-Jährige, in denen man die begehrten Termine kaufen könne.

Korruption lähmt die Wirtschaft

Das Schlimmste jedoch seien die trostlosen ökonomischen Verhältnisse: "Man hätte sich sofort nach der Staatsgründung um die Entwicklung der Wirtschaft kümmern müssen. Doch das haben die Politiker bei ihrem ständigen Streit seit der Unabhängigkeit 2008 verschlafen", konstatiert Berisha. Der Bauunternehmer sagt, er würde Landsleute, die jetzt in Flüchtlingsheimen hausen, sofort einstellen, wenn sie eine Arbeitserlaubnis bekämen. "Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind einfach mit ihrer Geduld am Ende. Das sind Leute zwischen 20 und 40, die wollen, was es im Kosovo nicht gibt: Arbeit."

Das 1,8 Millionen Einwohner zählende Kosovo hat wenig Industriebetriebe. Das Nickelwerk in Drenas etwa, privatisiert wie andere Firmen auch. Der größte Minenkomplex auf dem Balkan, das Bergwerk Trepça, könnte eine Wirtschaftslokomotive sein. Doch lähmt der Streit mit Serbien um die Besitzrechte die Produktion. Bleibt die Landwirtschaft, die Getreide, Mais, Kartoffeln, und Paprika liefert.

Durch die allgegenwärtige Korruption könne von fairem Wirtschaften keine Rede sein, sagt Berisha. Das halte ihn davon ab, im Kosovo zu investieren, statt Geld an die Verwandten zu überweisen. "Investoren müssen zig Leute bestechen, um auf die Beine zu kommen." Die Korruption durchzieht nicht nur die einheimischen Machteliten. Auch die Eulex, die europäische Aufbaumission im Land, sieht sich derartigen Vorwürfen ausgesetzt.

Nur ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten und ein funktionierendes Sozialsystem könnten auf die Dauer die Fluchtwelle stoppen, glaubt Besnik Berisha: "Keiner verlässt gern die Heimat."