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Digitalisierung Unterwegs mit dem Kollegen Roboter

Die Digitalisierung bietet Unternehmen in Sachsen-Anhalt große Chancen. Doch der Wandel auch mit Veränderungen verbunden.

12.08.2015, 17:27

Magdeburg l Moderne Maschinen bestimmen zunehmend das Geschehen in den Fabrikhallen Sachsen-Anhalts. Die Roboter verändern Produktionsprozesse und Beschäftigungsfelder. Viele kleine Unternehmen wittern durch den digitalen Wandel auch neue Geschäftschancen. Doch die Konkurrenz wartet schon. Fast täglich entstehen im Internet neue Wettbewerber. Die Digitalisierung wird die Unternehmenslandschaft zwischen Altmark und Harz verändert zurücklassen.

Neue Produktionsprozesse

Menschenleer ist sie nicht, die digitale Produktion. In der vernetzten Fabrik arbeiten Mensch und Roboter direkt nebeneinander. Florian Berg steht in einer der Werkshallen der Rothenseer Rotorblattfertigung. Bei der Magdeburger Tochterfirma des Windenergieanlagenbauers Enercon entstehen die bis zu 44 Meter langen Rotoren der Windkraftanlagen. Berg trägt einen blauen Arbeitsanzug. In seinen Händen hält er ein Steuergerät. Der 34-Jährige überwacht die Arbeit des Schleifroboters neben ihm.

Eine Bahn nach der anderen schleift das Gerät auf dem Flügel ab. Bis zu dreieinhalb Stunden braucht die Maschine, dann ist ein Rotor fertig bearbeitet. Die glatte Oberfläche ist beim anschließenden Lackieren entscheidend. "Der Roboter schleift mit einer gleichbleibenden Qualität. Menschen können das nicht leisten", erklärt Volker Ziem, Geschäftsführer des Unternehmens. Etwa eine halbe Million Euro hat der Produktionshelfer gekostet. Seit März ist das Gerät im Einsatz. Früher haben an einem Blatt zehn Arbeitskräfte manchmal mehr als vier Stunden geschuftet. "Wir arbeiten mit Unterstützung des Roboters effektiver. Unser Personal können wird dafür an anderen Stellen einsetzen", sagt Ziem.

Seit 15 Jahren ist Florian Berg bei Enercon-Unternehmen tätig. Doch diese Beschäftigung ist für den jungen Mann neu. Die Arbeit des Roboters muss zuerst dem geschulten Blick des Fachmannes standhalten. An seinem Steuergerät stellt Berg zum Beispiel den Schleifdruck, die Umdrehungen oder die Geschwindigkeit ein. "Ich kann durch meine Arbeit das Schleifbild optimieren", erklärt er.

Neue Aus- und Weiterbildung

Fehler machen die Mitarbeiter von Fangmann Energy Services aus Salzwedel nur noch digital. Steffan Gerdes, Geschäftsführer des Unternehmens aus Salzwedel, hofft das zumindest. Mit einer mobilen Freiförderanlage erwecken die Mitarbeiter Erdgasbohrungen zu neuem Leben. Die Gerätschaft entlastet die Bohrungen, fördert stehendes Wasser heraus und lässt so das Erdgas wieder strömen. Doch die Arbeit ist gefährlich. Es herrscht hoher Druck, explosive Gase können austreten. Die Anlage darf daher nur von Menschen bedient werden, die vorher speziell ausgebildet wurden.

Dabei hilft ein Schulungsprogramm, das Forscher des Fraunhofer IFF aus Magdeburg entwickelt haben. Seit einem Jahr wird es in Salzwedel genutzt. Innerhalb der interaktiven Lernanwendung können sich die Mitarbeiter bereits am Computer frei auf dem Förderplatz bewegen, Anlagenteile miteinander verbinden, verschiedene Armaturen bedienen - und all das, ohne die teure Technik oder sich selbst zu gefährden.

"Die Qualifizierung unserer Angestellten hat eine neue Qualität erreicht. Durch die dreidimensionale Darstellung können die Mitarbeiter die Anlage räumlich erfahren und in sie hineintauchen", sagt Steffan Gerdes. Das interaktive Programm ermöglicht es den Nutzern, Lerninhalte selbständig zu erarbeiten. In der Praxis wird das Arbeiten somit sicherer.

Neue Geschäftsfelder

Bei dem Backmischungshersteller Kathi aus Halle sind schon immer innovative Menschen tätig gewesen. Die Großmutter des heutigen Firmeninhabers Reiner Thiele tüftelte 1949 an Rezepturen für Backmischungen, Suppen und Saucen - und legte so den Grundstein für das Unternehmen. "Innovationen nehmen eine wichtige Rolle ein. Nur so können wir uns weiterentwickeln", sagt Reiner Thiele, der Kathi mit seinen 90 Mitarbeitern auf den digitalen Wandel eingestellt hat.

Im Januar des vergangenen Jahres hat Kathi das wohl erste Online-Backstudio in Deutschland eröffnet. Kunden können auf einer Internetseite Zutaten für ihren Kuchen auswählen. Mehr als eine halbe Million Möglichkeiten, die verschiedenen Bestandteile zu kombinieren, gibt es, so Thiele. Der gewünschte Kuchen wird von Kathi-Konditoren gebacken und zum Besteller nach Hause geschickt. Auch andere Hersteller versuchen, ihren Kuchen im Internet zu verkaufen. "Wir sind nicht alleine. Aber der Konfigurator entscheidet uns von Wettbewerbern. Durch das Geschäft im Internet ist es uns gelungen, jungen Menschen an die Marke Kathi heranzuführen", erklärt der Geschäftsführer. Vor allem im Bereich Geschäftskunden soll der Online-Shop weiter wachsen. Ab 50 bestellten Kuchen druckt Kathi Etiketten mit dem gewünschten Firmen-Design.

Neue Konkurrenten

Ohne das Zimmervermittlungsportal Airbnb hätten Hotels und Pensionen in Sachsen-Anhalt sicherlich die ein oder andere Übernachtung mehr zu verzeichnen. Auf der Internetseite des amerikanischen Unternehmens sind derzeit 65 Unterkünfte in Magdeburg und 51 in Halle registriert. Eine Übernachtung in der Landeshauptstadt in der Wohnung von Christina Hayn kostet den Gast 25 Euro. Die Medizinstudentin bietet seit einem Jahr ein Zimmer im Internet an. Vor allem berufstätige Deutsche, aber auch Urlauber steigen bei der 24-Jährigen ab.

"Durchschnittlich verdiene ich im Monat etwa 300 Euro damit", sagt die Studentin. Bei einigen Gästen wird Hayn auch zur Reiseführerin. Doch sie sagt: "Ich suche keine neuen Freunde, aber es ist mir wichtig, dass es ein lockeres Miteinander ist." Drei Prozent ihrer Einnahmen muss sie an Airbnb überweisen. So verdient die neue Hotel-Konkurrenz aus dem Internet ihr Geld.