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Justizministerin Kolb schlägt bei Bürgerversammlung zu Gefängnisneubau von Hallensern scharfer Wind entgegen. Halle: "Wir wollen nicht Knasthauptstadt sein"

Von Bernd Kaufholz 16.02.2012, 04:18

In Halles "Rotem Ochsen" hat Dienstagabend die Luft gebrannt, als Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) ihre Pläne zum Gefängnisneubau erläuterte. Mehrfach wurde Kolb von empörten Anwohnern des Wohngebiets "Frohe Zukunft" unterbrochen.

Halle l "Wir wollen nicht die Knasthauptstadt Sachsen-Anhalts werden", brachten es die mehr als 150 Hallenser auf den Punkt, die zur Bürgerversammlung in die JVA "Roter Ochse" gekommen waren. Es waren zumeist Bewohner des Wohngebiets "Frohe Zukunft", wo es zwar seit rund 40 Jahren ein Gefängnis gibt, auf dessen Gelände jedoch bis 2017 eine Großhaftanstalt mit (jetzt noch) 900 Plätzen entstehen soll.

"In unserem Wohngebiet gibt es viele schöne Häuschen und viele Kinder. Wir sind glücklich dort. Eine große JVA würde das ganze Leben verändern. Halle hat weltweit als Händelstadt einen guten Ruf. Der soll nicht aufs Spiel gesetzt werden", empörte sich Marianne Koch, die im Wohngebiet "Frohe Zukunft" lebt.

Justizministerin Angela Kolb hatte zu Beginn der emotionalen Diskussion versucht, darzustellen, welche Pläne es in Halle im Zuge der Justizreform gibt. Allerdings wehte ihr dabei ein scharfer Wind der Anwesenden, die zum übergroßen Teil gegen den Plan "Frohe Zukunft" waren, entgegen. Und als sie sagte: "Eine JVA ist nicht die schlechteste Nachbarin", erntete sie hämisches Gelächter und laute Buhrufe.

Die Anwesenden wollten wissen, warum Halle und nicht Volkstedt ausgebaut werden soll. Kolb versuchte zu erklären, dass es durch die Sozialtherapeutische Station bereits Fachpersonal in der "Frohen Zukunft" gebe. Therapeuten, die zur Behandlung der Straftäter gesetzlich gefordert und immer unerlässlicher seien.

Der Ausbau der Jugendanstalt Raßnitz komme nicht in Frage, weil es ein striktes Trennungsgebot von Jugend- und Erwachsenenhaft geben müsse, ergänzte Justizstaatssekretär Eberhard Schmidt-Elsaeßer, der die Projektgruppe zur Justizvollzugsreform geleitet hatte.

Erneute Unmutsäußerungen gab es, als Kolb meinte, die JVA "Roter Ochse" in Halle könne nicht ausgebaut werden, weil sie Mitten in der Stadt liege. "Und unser schönes Wohngebiet. Mit den Gärten und hübschen Häusern?", tönte es aus der Menge. "Sie verstehen wohl gar nichts."

Das Argument, dass es seit den 1970er Jahren ein Gefängnis in der "Frohen Zukunft" gibt, ließen die Gefängnisgegner so nicht stehen. "Zu DDR-Zeiten hat uns keiner gefragt. So kommt mir das auch jetzt vor", rief ein Mann. Und eine Rentnerin: "Mit dem Jugendgefängnis hatten wir uns arrangiert, aber 800 richtige Verbrecher wollen wir nicht bei uns haben."

Schmidt-Elsaeßer wies darauf hin, dass die Zahl 900 nur eine Planungsobergrenze sei. 800 Plätze seien mit Blick auf die sinkenden Häftlingszahlen wohl realistischer. Der Vorsitzende des Elternrats der Grundschule "Frohe Zukunft" brachte aufs Tapet, dass die Schule baulich völlig heruntergekommen sei. "Die Steuergelder für den Gefängnisneubau sollte man lieber für die Schulsanierung einsetzen."

Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) bezeichnete diesen Einwurf als Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Sie mahnte zur Sachlichkeit und warnte, nicht dem St.-Florian-Prinzip das Wort zu reden: JVA ja, aber nicht bei uns. "Dem Land muss zugestanden werden, Überlegungen anzustellen."

Sie erinnerte an die Diskussion, als 2001 die Sozialtherapeutische Station in der "Frohen Zukunft" eingerichtet wurde. Auch damals habe es Ängste und Proteste gegeben: "Und hat es dadurch eine Abwertung der Grundstücke gegeben und Gefahr für die Anwohner?"

Zur Frage nach dem Finanzierungsmodell legte sich die Justizministerin fest. Ein sogenanntes PPP-Modell wie in Burg, bei dem nur noch das Wachpersonal staatlich ist, werde es in Halle nicht geben. Es hatte in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe zur Arbeitsweise des Privatbetreibers gegeben. "Die JVA wird vom Land finanziert und betrieben oder es wird ein Investitionsmodell", bei dem das Land nach Fertigstellung allerdings alle Zügel in der Hand behält.

Zum Schluss der eineinhalbstündigen Veranstaltung in der Gefängniskirche des "Roten Ochsen" gab es doch noch so etwas wie eine Annäherung. Ausgangspunkt war die Frage, ob das Standortproblem bereits entschieden sei. Die Antwort Kolbs: "An der ,Frohen Zukunft\' führt kein Weg vorbei. Es wäre die vernünftigste Lösung", brach dem Protest die Spitze ab. Die Ministerin sagte aber zu, eine noch zu bildende Bürgerinitiative in die Planungs- und Bauschritte einzubeziehen.