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Jerichower Land - Landrat verteidigt personelle Veränderung in der Kreisverwaltung / Verkaufsstopp für 800 000 Hähnchen Wiesenhof-Konflikt: Kritischer Fleischkontrolleur kaltgestellt?

Von Winfried Borchert 13.03.2012, 03:12

Magdeburg/Burg l Der seit Monaten schwelende Konflikt um Hygieneprobleme zwischen dem Landkreis Jerichower Land und der zum PHW-Konzern gehörenden Wiesenhof-Schlachterei Möckern hat sich in den vergangenen Tagen erneut zugespitzt. In der Kreisverwaltung in Burg ist offenbar ein kritischer Veterinärmediziner von der Unternehmenskontrolle abgezogen und durch einen Kollegen aus einem Nachbarkreis ersetzt worden.

Unterdessen streiten Firma und Behörden über sechs Tagesproduktionen Schlachthähnchen, deren Verkauf von Behördenseite untersagt worden war. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Unternehmen.

Die Kreisverwaltung des Jerichower Lands teilte mit, dass die behördliche Fleischkontrolle bei Wiesenhof neu geregelt wurde. Seit gestern sei ein Mitarbeiter des Kreises Anhalt-Bitterfeld als verantwortlicher Veterinär im Wiesenhof-Schlachtbetrieb Möckern eingesetzt. Landrat Lothar Finzelberg (parteilos) hatte die Nachbarn um Amtshilfe gebeten.

Nach Volksstimme-Informationen sollen ein bisher verantwortlicher Veterinärmediziner und dessen Stellvertreterin erkrankt sein. Der ersetzte Veterinär hatte in der Vorwoche die eintägige Stilllegung des Betriebes durchgesetzt, nachdem er dort mehrfach Hygienemängel festgestellt hatte, ohne dass Wiesenhof diese beseitigt hatte. Das geht aus der Volksstimme vorliegenden Unterlagen hervor. Wurde der kritische Kontrolleur jetzt kaltgestellt? Landrat Finzelberg mühte sich, diesen Eindruck zu entkräften: "Die Veränderung hat auch nichts damit zu tun, dass jemand erkrankt ist. Es ging darum, meine Mitarbeiter aus der Kritik zu nehmen." Zugleich betonte er: "Meine Mitarbeiter haben das Unternehmen korrekt behandelt."

Wiesenhof begrüßt Wechsel

Wiesenhof begrüßte gestern in einer Pressemitteilung die personelle Veränderung. "Aus Sicht von Wiesenhof gab es in der Vergangenheit und bei der jüngsten eintägigen Schließung des Betriebs auch sachfremde Erwägungen einzelner, bislang dort tätiger Veterinäre, die stets mit gezielten Indiskretionen an die Öffentlichkeit verbunden waren. Damit wurde offenbar gewollt der Eindruck herbeigeführt, es bestünden Unzulänglichkeiten." Jetzt gehe Wiesenhof "davon aus, dass mit dem Wechsel in der Person des aufsichtsführenden Veterinärs solche Vorkommnisse der Vergangenheit angehören".

Finzelberg bestritt unterdessen, dass die Verantwortung gewechselt habe. "Es sind alle Mitarbeiter noch zuständig, die auch vorher zuständig waren." Das Kontrollteam sei lediglich "verstärkt" worden, sagte der Landrat.

Noch nicht entschieden ist, was aus den tiefgekühlten Schlachthähnchen werden soll, die zwischen dem 28. Februar und dem 5. März produziert wurden, aufgrund eines Behördenverbots aber nicht verkauft werden durften. Nach Firmenangaben soll es sich dabei um rund 975 Tonnen Fleisch handeln, das entspricht etwa 800 000 Hähnchenkörpern.

Finzelbergs Sprecher Henry Liebe sagte: "Die Hähnchen liegen zurzeit im Betrieb in Möckern auf Eis. Das Unternehmen hat gegen das Verkaufsverbot Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist." Mit dem Fall beschäftigt sich das Landesverwaltungsamt.

Am Wochenende hatte die Schnellrestaurantkette McDonald\'s einen bundesweiten Abnahmestopp von Wiesenhof-Fleisch für ihre Lokale verhängt und dies mit der zeitweisen Stilllegung des Schlachtbetriebes durch die Behörden am 5. März begründet.

Ebenfalls noch nicht entschieden ist über ein Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen Wiesenhof Möckern wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug und Untreue führt. Ein Magdeburger Rechtsanwalt hatte im Vorjahr Strafanzeige gestellt, weil Wiesenhof nach seiner Darstellung von 2002 bis 2010 ohne notwendige Betriebserlaubnis produziert und EU-Subventionen in Anspruch genommen habe. Wiesenhof hatte das mehrfach zurückgewiesen und erklärt, man habe seit der Betriebsaufnahme "ununterbrochen" über die notwendigen Betriebserlaubnisse verfügt.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Silvia Niemann, sagte gestern: "Mit einem Abschluss der Ermittlungen ist nicht in Kürze zu rechnen. Das Verfahren wird mindestens noch ein bis zwei Monate andauern."