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Land stuft Neonazi-Tötungsdelikte nachträglich als rechtsmotiviert ein Sachsen-Anhalt räumt nun doch drei Morde ein

Von Michael Bock 11.05.2012, 05:16

Drei Tötungsdelikte aus den 1990er Jahren in Sachsen-Anhalt sind nachträglich als rechtsextremistisch motiviert eingestuft worden.

Magdeburg l Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Justizministerin Angela Kolb (SPD) hatten im Dezember beschlossen, neun Tötungsdelikte erneut zu prüfen. Zuvor war die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle aufgedeckt worden. Anlass für die monatelange Sichtung von Polizei- und Justizakten war die Diskrepanz zwischen den Angaben der Bundesregierung zu rechtsmotivierten Tötungsverbrechen und den Recherchen von Zeitungen seit dem Jahr 2000.

Innenminister Stahlknecht bat den "Tagesspiegel", alle offiziell nicht als rechts eingestuften Tötungsdelikte aus Sachsen-Anhalt zu übermitteln. Er bekam neun Fälle aus der Todesopferliste. Davon wurden jetzt drei als rechtsmotivierte Gewaltdelikte eingestuft. Damit steigt die offizielle bundesweite Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung auf 63.

Fall eins: Mit Baseballschlägern dringen im April 1993 rechte Skinheads in eine Diskothek in Obhausen ein. Die 40 bis 50 Angreifer schlagen um sich. Der 23-jährige Matthias Lüders erleidet einen Schädelbasisbruch, zwei Tage später ist er tot. Das Landgericht Halle verurteilt den Skinhead, der Lüders geprügelt hat, zu dreineinhalb Jahren Jugendstrafe.

Fall 2: Im Oktober 1999 quälen in Löbejün ein Rechtsextremist und zwei Kumpane den geistig behinderten Hans-Werner Gärtner zu Tode. Das Trio schlägt auf den 37-Jährigen ein, sperrt ihn in einen Gully und fährt mit dem Opfer zu einem Badesee, wo es beinahe ertränkt wird. Die Täter setzen die Prügelorgie fort, Gärtner stirbt noch in der Tatnacht. Das Landgericht Halle verurteilt die Schläger zu lebenslanger Haft.

Fall 3: Im Dezember 1999 schlagen drei Männer, von denen zumindest einer ein Rechts-extremist ist, in Halle auf den behinderten Jörg Danek ein. Ein Täter tritt dem 38-Jährigen mit Springerstiefeln an den Kopf. Danek erliegt seinen schweren Verletzungen. Der Rechtsextremist wird zu lebenslanger Haft verurteilt.

"In diesen drei Fällen sehen wir - neben dem eigentlich unpolitischen Hauptmotiv - eine politisch rechte Tatmotivation als mitursächlich", erklärten Justizministerin und Innenminister gestern. Stahlknecht sagte, es müsse Transparenz geschaffen werden. "Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden."

Die Mobile Opferberatung für Opfer rechter Gewalt begrüßte die Neubewertung. Sie sieht aber auch in den anderen sechs Fällen deutliche Hinweise auf eine rechtsmotivierte Tat. Seite 5