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Mammut-Prozess vor der Wirtschaftskammer des Landgerichtes / 230 Seiten Anklageschrift Anklage: Kaufleute bauten "Luftschlösser" in Flechtingen und Altenhausen

Von Matthias Fricke 07.11.2012, 02:12

Fünf alte Schlösser im Osten Deutschlands, zwei davon in Sachsen-Anhalt, wollten bzw. haben zwei Hamburger zu Ponyhof-Hotels umgebaut. Dabei, so der Vorwurf, gaukelten die Angeklagten Eigen-Kapital vor, das sie nicht hatten. In Flechtingen und Altenhausen versickerten so rund 9 Millionen Euro Steuergelder.

Magdeburg l Für den Vorsitzenden Richter Dr. Gerhard Köneke der 4. Wirtschaftskammer des Magdeburger Landgerichtes dürfte es eines seiner umfangreichsten Verfahren überhaupt werden. 132 Umzugskartons, gefüllt mit Akten, wurden in den vergangenen Monaten extra für den Prozess vom Landeskriminalamt digitalisiert und in einem extra Raum im Landgericht abgestellt. Zahlreiche Aktenordner mit Zusammenfassungen müssen nun auch von den Schöffen noch gelesen und studiert werden.

Der Vorwurf: Schwerer Subventionsbetrug. Sollten die auf 35 A4-Seiten zum Prozessauftakt vorgetragenen Vorwürfe (schriftlich sind es 230 Seiten)stimmen, haben die beiden Kaufleute allein durch die Sanierung des Schlosses Altenhausen und des Wasserschlosses Flechtingen (beide Landkreis Börde) mehr als 9 Millionen Euro Fördermittel erschlichen. Geschädigt sind das Land Sachsen-Anhalt und die Bundesrepublik Deutschland. Nur weil zum Schluss im Jahr 2003 das Landesförderinstitut (heute Investitionsbank Sachsen-Anhalt) vorsichtiger wurde, kamen weitere 12,5 Millionen Euro nicht mehr zur Auszahlung. Im Wesentlichen stellte Oberstaatsanwalt Dr. Horst Nopens das Vorgehen wie folgt dar: Der 50-jährige Oliver E. trat als Investor und Geschäftsführer der inzwischen insolventen Firma Schloss Altenhausen KG auf. Als solcher beantragte er in den fünf angeklagten Fällen für die Sanierung und Ausbau der beiden sachsen-anhaltischen Schlösser zum Kinder- und Familienhotel mit Ponyhof Fördermittel in jeweils rund 50-prozentiger Höhe. Da Oliver E. nicht ausreichend über Eigenmittel verfügte, habe er über die weitere Firma des Mitangeklagten Stephan H. sich eine Finanzierungsbestätigung geben lassen. Diese wurde dem Landesförderinstitut vorgelegt.

Das dabei vorgegebene Geld war nach Darstellung der Anklage aber nur scheinbar vorhanden, bzw. kam zum Teil aus anderen Fördermitteln. Weitere Firmen, in denen beide unterschiedlich involviert waren, stellten sich selbst laut Anklage überhöhte Rechnungen und gaukelten so den Fördermittelgebern eine solide Rechnungslegung vor. So sollen zum Beispiel allein bei einem Bauprojekt überhöhte Architektenrechnungen in Höhe von mehr als 850000 Euro eingereicht worden sein. 50 Prozent des Geldes seien dann als "stille Beteiligung" wieder zurück auf das Firmenkonto des Angeklagten geflossen. Andere Baurechnungen seien in Größenordnungen von bis zu 510 Prozent der ortsüblichen Höhe abgerechnet worden, um diese künstlich nach oben zu treiben.

Erst im November 2004 flog die Praxis auf. Im Schloss Boizenburg gab es bereits im Jahr 2005 Durchsuchungen. Vor dem Landgericht Potsdam wird der Fall parallel zu den Vorwürfen in Magdeburg verfolgt.

Oliver E. präsentierte sich gestern als seriöser Investor und Idealist. Er wollte aus den Schlössern nur etwas für Familien machen. Er sagte, dass die Vorwürfe gegen ihn haltlos seien. Er habe ja außerdem keine Investruinen zurückgelassen.

Den Angeklagten drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.