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Mauertour 2 - Das Grüne Band Von Grenztürmen und Gartenträumen

Der alte Todesstreifen ist heute ein Naturparadies, und der Volksstimme-Reporter stellt bei der zweiten unserer sechs Touren fest: Nirgendwo sind Beton und Botanik so dicht beieinander wie zwischen Morsleben und Hötensleben.

Von Hartmut Beyer 20.08.2014, 01:18

Marienborn l Unser Ausgangspunkt am "Grünen Band" ist die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, einst größte Grenzübergangsstelle überhaupt. Mit ihren ehemaligen Kontrollanlagen zieht sie Besucher aus aller Welt an. Sie erleben hier u.a. Funktionseinheiten wie Passkontrolle, PKW-Einreise und die Kontrollgarage - Ausreise.

Radlern ist eine Rundfahrt zu empfehlen. Je nach Kondition sind zwei Varianten möglich: entweder zu den Harbker Gartenträumen oder zum Grenzdenkmal Hötensleben. Die Wege der Region seien gut ausgeschildert, mehrere Wanderkartentafeln verschafften den nötigen Überlick, versichern Reinhard Duckstein und Inka Schröder von der hier aktiven AGTouR.

Für beide Varianten radeln wir von der Gedenkstätte aus ein Stück auf der Landstraße ins Dorf Marienborn. Der älteste Wallfahrtsort Deutschlands lockt mit Kirche, Kloster, Marienkapelle und Orangerie. Wer es abenteuerlicher mag, fährt oder wandert von der Marienkapelle aus über den Rundwanderweg 25 durch den ehemaligen Klosterpark zur Höhle des Räuberhauptmanns Rose, der hier in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sein Unwesen trieb. Der Ummendorfer Pfarrer i.R. Gunther Hirschligau hat einen Roman über ihn geschrieben, auch das Internet gibt Auskunft.

Die Marienkapelle mit ihrer Quelle war schon im 12. Jahrhundert Ziel von Pilgern und Kranken, die sich von dem Wasser Hilfe erhofften. Eine erste Kapelle wurde 1191 über der Quelle errichtet und aus dem ehemaligen "Mordthal" wurde "Marienborn". Erika Kiwitt, aus dem Haus neben der Kirche, schließt auf, wenn nicht geöffnet ist, und führt durch Kreuzgang und Kirche.

Gartenträume im Harbker Schlosspark

Nach den Besichtigungen können wir die Eindrücke in der Jägerklause im Harbker Weg auf uns wirken lassen, bevor wir uns wieder in den Sattel schwingen und Marienborn über den Weg 28/29 nach Sommerschenburg verlassen. Wer den höchsten "Gipfel" des Bördekreises erklimmen möchte, biegt vor der Ortsmitte von Sommerschenburg auf den Weg 33 ein und erreicht den 212 Meter hohen Heidberg, den ein imposantes Gipfelkreuz und die Heidbergbuche zieren.

Die Grafen von Sommerschenburg herrschten schon 1040. 1814 kam die Burg in den Besitz des preußischen Feldherrn Neidhardt von Gneisenau. Sie kann nicht besichtigt werden. Es gibt aber ein Gneisenau-Denkmal mit Marmor-Standbild und Familiengruft direkt an der Straße nach Sommersdorf und ein kleines Gneisenau-Museum am Dorfgemeinschaftshaus.

Bei der Weiterfahrt bietet sich ein Halt an der evangelischen Kirche Sommersdorf an. Sie ist ein Erneuerungsbau von 1717, für eine Besichtigung schließt Küsterin Liane Grund auf. In Sommersdorf scheiden sich nun die Geister. Wer noch Kraft in den Beinen hat, erweitert die Tour bis zum neun Kilometer entfernten Grenzdenkmal Hötensleben oder radelt, dem Weg 28 folgend, zu den Harbker Gartenträumen.

Variante 1 - Für Liebhaber von Parks ist der Harbker Schlosspark, Teil des Netzwerks Projekt Gartenträume, mit seiner spätbarocken Orangerie ein Muss. Der Besucher kann sich über den vielfältigen Baumbestand mit stattlichen "Urvätern" freuen oder rund um den Waschhausteich pflanzliche Raritäten bewundern, u.a. eine mächtige Farnblättrige Buche. "Es ist ein ganz, ganz wertvoller Park, wenn man die Geschichte dahinter kennt", urteilte Landschaftsarchitekt Rainer Brokof.

"Möchte man einen Park verstehen, muss man ihn in der Zeit seines Entstehens sehen", sagte Parkgärtner Rudi Michalke. Graf Friedrich-August von Veltheim habe 1750 Harbke zum Geburtsort des frühen Landschaftsparks gemacht. Er bezog dafür u.a. 1400 Samen aus London. Um 1790 habe der Landschaftspark unter dem Begriff "Harbkesche wilde Baumzucht" als überregionaler Pflanzenlieferant Bedeutung gewonnen. Eine Besonderheit ist der etwa um 1750 gepflanzte Ginkgo-Baum neben der aufwendig restaurierten Schlosskirche St. Levin.

Wir verlassen Harbke nördlich des Parks auf dem Weg 28 in Richtung Marienborn und fahren über den Bierweg durch den Bischofswald. Am Ende des Wegs überqueren wir einen Bahnübergang und sind in wenigen Minuten wieder am Ausgangspunkt Gedenkstätte.

Variante 2 - Von Sommersdorf geht es zunächst über Hohnsleben nach Reinsdorf. Im kleinen Heimatmuseum läuft zurzeit eine Sonderausstellung mit über 150 Fotos und Dokumenten vom Leben an der ehemaligen Grenze und der Grenzöffnung. Eine Sammlung von Braun- und Buntgeschirr im Obergeschoss zeugt von dem einst weithin bekannten Töpferhandwerk der Grenzdörfer. Einige Kilometer weiter biegen wir in der Ortsmitte von Offleben links ab, gleich hinter dem Ortsausgangsschild verlief früher die innerdeutsche Grenze. Auf dem ehemaligen Kolonnenweg, auf dem die DDR-Grenzer rund um die Uhr unterwegs waren, geht es direkt zum Grenzdenkmal Hötensleben. Die löchrigen Betonfahrspuren sind nicht der ideale Radwanderweg, aber es ist der unmittelbare Grenzverlauf. Wer die Anstrengung scheut, kann auch die Kreisstraße nutzen.

Grenzblicke, Tagebau und Steinzeit-Speere

Das Grenzdenkmal ist schon von weitem durch den Turm (nicht zugänglich) zu erkennen. Auf einer Länge von 350 Metern und einer Fläche von 6,5 Hektar ist die von der DDR errichtete innerdeutsche Grenze authentisch und relativ vollständig erhalten geblieben. Hier werden alle militärisch wichtigen Elemente der Grenzanlage gezeigt. Bei Voranmeldung sind Führungen möglich.

Nicht versäumen sollte man einen Abstecher in Richtung Schöningen zum Braunkohletagebau und zum archäologischen Highlight, dem Paläon. Eine Zufahrt mit Pkw von Hötensleben aus ist zurzeit wegen einer Baustelle nicht möglich. Man kann aber gut auf dem Radweg Berlin-Hameln den Informationspunkt erreichen, der einen Panoramablick über die 2017 auslaufende Braunkohleförderung erlaubt. Einen Kilometer weiter kommt das futuristisch anmutende Paläon in Sicht, in dem man zum Beispiel die ältesten erhaltenen Wurfwaffen der Menschheit, die Schöninger Speere, hinter Sicherheitsglas begutachten kann.

Im Café lassen sich neue Kräfte schöpfen für die Rückfahrt nach Sommersdorf und von dort zum Ausgangspunkt (s. Variante 1).