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Nikotin hat ein größeres Suchtpotenzial als Heroin Entwöhnungsprogramme helfen beim Rauch-Ausstieg

Von Haiko Prengel 22.02.2008, 04:56

Berlin. Raucher sind Junkies. Und von ihnen gibt es immer noch Millionen in Deutschland. Wären Zigaretten illegal, würde die Beschaffungskriminalität wahrscheinlich den allgemeinen Frieden gefährden. Denn : Von ihrer Droge sind viele Raucher schwerstabhängig.

" Nikotin hat ein höheres Suchtpotenzial als Kokain und Heroin ", sagt Michael Heidler, Diplompsychologe und Leiter der Institute für Tabakentwöhnung an den Vivantes-Kliniken Neukölln und Spandau sowie am Humboldt-Klinikum in Berlin.

Das ist der Grund, warum selbst gemeinhin als gebildet und intelligent geltende Leute wie Ärzte, Juristen oder Wissenschaftler oft ihr Leben lang an der Zigarette hängen. Sie wissen, dass Rauchen tödlich sein kann, es steht ja sogar auf der Kippenpackung. 85 Prozent aller Lungenkarzinome gehen auf jahrelanges Rauchen zurück. Rund 120 000 Deutsche sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen des Rauchens. Überdies altert die Haut schneller, die Libido kann nachlassen. Und die finanziellen Belastungen der Sucht gehen im Laufe der Jahre in die Tausende.

Dennoch kommen sehr viele Betroffene einfach nicht weg vom Glimmstängel. Ihr Suchtzentrum im Gehirn will befriedigt werden. " Dem freien Willen zugänglich ist dieses Hirnareal dagegen nicht ", erläutert Heidler. Stattdessen ruft es nach immer mehr Nachschub. Zigarettenqualm regt im Gehirn die Neubildung von Rezeptoren an, wo das Nikotin andockt. Und mehr Rezeptoren verlangen nach mehr Zigaretten – ein Teufelskreis.

Bleibt dem Körper die Zigarette verwehrt, reagiert er rasch mit Entzugserscheinungen. Schlafstörungen, Nervosität, sogar Depressionen sind möglich – sieht so ein freier Wille aus ? " Nein, und deshalb sind Werbeslogans der Zigarettenindustrie wie, Ich rauche gern ‘ auch infam ", sagt Thomas Hering, Facharzt für Lungenheilkunde in Berlin und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Pneumologen. Zwar rühmen sich viele Raucher, mit ein wenig Disziplin jederzeit mit ihrem Laster aufhören zu können. Die Realität sieht aber in der Regel anders aus.

Immerhin hat die Akzeptanz des Nichtrauchens deutlich zugenommen. Gehörte es früher noch zu den allgemeinen Gepflogenheiten, sich zum Kaffee eine Zigarette anzuzünden, wird Rauchen heute als Belästigung empfunden. Mit dem Rauchverbot in Kneipen werden Raucher erstmals sogar per Gesetz vor die Tür gesetzt. Viele nehmen dies zum Anlass, ein für allemal mit dem Rauchen aufzuhören.

" Den größten Erfolg versprechen Entwöhnungsstrategien, die medikamentöse und verhaltenstherapeutische Maßnahmen miteinander kombinieren ", sagt Experte Hering. Um den Suchtkranken nicht zu überfordern, beginnt man zunächst in Absprache mit einem Arzt mit der Verabreichung von Nikotinpflastern oder -pillen. Der Raucher stellt das Qualmen ein, wird aber zunächst noch über die pharmakologischen Ersatzpräparate mit Nikotin versorgt. " Wichtig ist, dass man nicht unterdosiert ", betont Hering, denn daran scheiterten pharmakologische Entwöhnungsstrategien am häufi gsten.

Wenn sich der Zustand des Abhängigen unter Zuhilfenahme verhaltenstherapeutischer Maßnahmen stabilisiert hat und er zwei bis drei Monate keine Zigarette mehr angefasst hat, kann der Nikotinersatz abgesetzt werden. Hering zufolge schaffen es mit dieser Kombination 30 bis 35 Prozent der Patienten, im ersten Jahr nach der letzten Zigarette abstinent zu bleiben. Zum Vergleich : Der Silvestervorsatz ohne pharmakologische und therapeutische Begleitung führt in drei bis fünf Prozent zum Erfolg.

" Gleichwohl gibt es nicht den Königsweg, mit dem Rauchen aufzuhören ", betont Suchtexperte Heidler. Wer sich allein auf seinen eisernen Willen verlassen kann – auch gut. Klappt es nicht, findet man in praktisch allen größeren Städten Einrichtungen, die Tabakentwöhnungsprogramme anbieten. " Die Kosten solcher Seminare betragen in Deutschland etwa zwischen 150 und 400 Euro ", sagt der Psychologe.

Angehenden Abstinenzlern rät er, auf zertifi zierte Kurse zu achten. So ist gewährleistet, dass der Kursleiter eine qualifi - zierte Ausbildung hat. " Darüber hinaus sollten in der Gruppe nicht mehr als acht bis zwölf Personen sein ", empfi ehlt er. Das erhöhe die Erfolgschancen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernähmen im Einzelfall bis zu 80 Prozent der Therapiekosten.