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Pauschalurlaub Reiseveranstalter dürfen wuchern

Wer vor dem Urlaub krank wird, kann die gebuchte Reise einem Angehörigen oder Bekannten übertragen. Doch das kann teuer werden.

Von Anja Semmelroch 27.09.2016, 23:01

Karlsruhe (dpa) l Reiseveranstalter dürfen ihren Kunden auch künftig hohe Zusatzkosten in Rechnung stellen, wenn sie deren Pauschalreise auf einen Ersatz-Teilnehmer umbuchen. Zwei Urlauber, die sich gegen diese Praxis gewehrt hatten, scheiterten am Dienstag in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH).Die Veranstalter müssen eine solche Übertragung der Reise auf Angehörige oder Bekannte grundsätzlich ermöglichen, wenn zum Beispiel ein Kunde kurz vorher krank wird. Der verhinderte Urlauber hat laut Gesetz aber die „entstehenden Mehrkosten“ zu tragen. In den Fällen vor dem BGH sollten das für eine Reise nach Dubai mindestens knapp 1500 Euro und für eine Thailand-Reise 3300 Euro extra sein.

Wie setzen sich die Kosten zusammen?

Die hohen Summen kommen zustande, weil auf Linienflügen oft keine Namensänderungen zugelassen sind. Der Reiseveranstalter muss also neu buchen. Verbraucherschützer kritisieren, dass dies die Rechte der Reisenden aushöhle. Die Karlsruher Richter räumen zwar ein, dass derart hohe Kosten die Übertragung der Reise „wirtschaftlich unattraktiv“ machten. Das rechtfertige es aber nicht, die Mehrkosten den Veranstalter tragen zu lassen (Az.: X ZR 107/15, X ZR 141/15). Wenn Urlauber eine gebuchte Reise nicht antreten können, bleibt oft nur die Stornierung. Wenige Tage vor Reiseantritt ist das in der Regel teuer. In den beiden Fällen sollten die verhinderten Touristen 90 und 85 Prozent des Reisepreises zahlen, nachdem sie sich wegen der auch aus Sicht des BGH extrem hohen Kosten gegen die Übertragung auf Dritte entschieden hatten. Das sahen sie nicht ein – und klagten.

Vor dem Landgericht München hatten sie in der Berufungsinstanz auch Erfolg. Die Richter waren der Auffassung, mit den Mehrkosten seien nur die Verwaltungskosten gemeint, die für die Umschreibung der Reisebestätigung und die Benachrichtigung der Airline entstehen.

Der zuständige BGH-Senat entschied nun anders. Zu den Mehrkosten gehören demnach auch die Kosten für den Erwerb eines neuen Flugscheins. Der Veranstalter sei nicht gezwungen, „die vertraglichen Reiseleistungen so zu gestalten, dass sie für den Kunden möglichst kostengünstig auf einen Dritten übertragbar sind“.

Bei der Urteilsverkündung betonte der Richter, dass Pauschalpakete, die Linienflüge enthalten, für die Urlauber immer ein höheres Kostenrisiko bedeuteten. „Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn den Reisenden das klar ist“, sagte er.

Was steht bisher im Gesetz zu Stornokosten?

Im Gesetz steht, dass jeder bis zum Beginn der Reise verlangen kann, „dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt“. Beispielsweise könnte also ein Paar die gebuchte Reise den Schwiegereltern oder Freunden überlassen. Der Veranstalter darf das nur verweigern, wenn der Ersatz-Reisende „den besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt“. Das geht nur im Ausnahmefall, erläutert Reiserechtsexperte Felix Methmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen – wenn jemand zu alt oder krank ist für eine Tropenreise oder notwendige Impfungen fehlen.

Wer kurzfristig eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt zwar nicht den vollen Preis, aber meist hohe Storno-Gebühren. Die Prozentsätze in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach Auskunft des vzbv nicht gesetzlich geregelt. Durch die Rechtsprechung im Einzelfall habe sich aber herauskristallisiert, welche Gebühren angemessen sind. Demnach zahlen abspringende Kunden bis zu 30 Tage vor Reisebeginn in der Regel 20 Prozent des Reisepreises, ab sechs Tage vorher sind es schon 55 und bei Nichtantritt 75 Prozent. Auch bei Übertragung der Reise auf einen Dritten müssen die Kunden allerdings die „entstehenden Mehrkosten“ übernehmen.

Was bedeutet das für Pauschaltouristen?

Ihnen bleibt, wenn sie Pech haben, nur die Stornierung – unter Umständen kommen sie damit immer noch günstiger weg. Nach Ansicht der BGH-Richter wäre ein anderes Urteil für die Verbraucher aber nicht unbedingt von Vorteil gewesen. Meier-Beck wies darauf hin, dass nicht umbuchbare Flüge oft die billigeren seien. Eine Verpflichtung der Veranstalter, flexibel zu buchen, hätte nach dieser Logik Pauschalreisen also insgesamt teurer gemacht.