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Interview 90 Prozent Spuren abgearbeitet

Präsident der Polizeidirektion Nord, Andreas Schomaker, zu Chancen und Problemen bei der Inga-Suche.

Von Matthias Fricke 27.08.2015, 01:01

Volksstimme: Die Ermittlungsgruppe „Wald“ hat sich bei der Suche nach Inga bisher bedeckt gehalten. Meinen Sie nicht, es wird Zeit zu reden?

Andreas Schomaker: Das sehe ich anders. Wir haben eine sehr offensive Pressearbeit geleistet und wurden dafür auch von vielen Medienvertretern gelobt. Natürlich können wir nicht jeden Ermittlungsschritt nach außen tragen.

Was haben Sie denn bisher konkret unternommen?

Eine ganze Menge. Wir haben alle Möglichkeiten genutzt, die uns zur Verfügung stehen. DNA-Spuren untersucht, bundesweite Fahndungsaufrufe gestartet und verschiedene Arten von Hunden eingesetzt. Sie müssen immer dabei sehen, dass 7400 Hektar Fläche insgesamt abgesucht worden sind. Wir haben bisher mehr als tausend Hinweise aus der Bevölkerung erhalten und sind 1500 Personen-Spuren nachgegangen. Das können zum Beispiel Zeugen oder mögliche Verdächtige sein, die alle vernommen werden mussten. 90 Prozent der Spuren haben wir inzwischen abgearbeitet. Leider war der richtige Ansatz aber noch nicht dabei.

Sehen Sie denn überhaupt noch Chancen, den Fall aufzuklären?

Ja, und wir geben auch nicht auf. Dass 20 Kriminalbeamte noch immer an dem Fall arbeiten, zeigt, dass wir noch guter Hoffnung sind. Wie gesagt, es war und ist auch noch jede Menge zu tun. So mussten zum Beispiel mehrere Terabyte Videomaterial von Raststätten Tankstellen, Nahverkehrsgesellschaften, Blitzern aus verschiedenen Bundesländern ausgewertet werden.

Was passiert jetzt als Nächstes?

Wenn die letzten Spuren ausgewertet sind, werden wir uns überlegen, welche Ermittlungsansätze wir noch weiterverfolgen können. Das besprechen wir dann in der Behördenleitung gemeinsam mit dem Ermittlungsgruppenleiter Kriminaldirektor Herrmann.

Sind denn in dem Fall auch sogenannte Profiler eingesetzt worden?

Nein, aber Fallanalytiker. Diese haben selbstverständlich die Ermittler beraten.

Es gibt inzwischen auch den vermissten Elias aus Potsdam, der ebenfalls völlig spurlos verschwand. Arbeiten Sie mit den Ermittlern aus Brandenburg zusammen?

Natürlich sind die Kollegen der Ermittlungsgruppe „Wald“ mit den Potsdamern in der Abstimmung. Sie tauschen sich auch fachlich aus, aber Hinweise auf Zusammenhänge gab es noch keine.

Gerade bei solch einem großen Fall kann man schnell an Grenzen bei Personal und der Ausstattung stoßen. Gab es da Probleme?

Nein. Sicherlich wünscht man sich immer ein Mehr an Personal. Aber der Ansatz war hier schon ziemlich groß. Soweit mir bekannt ist, war es der größte Einsatz dieser Art in Sachsen-Anhalt. Und was die technische und sachliche Hilfe betrifft, haben wir die volle Unterstützung aus allen Bereichen gehabt. Das Landeskriminalamt, die Landesbereitschaftspolizei und das Technische Polizeiamt standen uns hervorragend bei der Suche nach Inga mit allen Möglichkeiten zur Verfügung. Wie gesagt, es haben alle Beteiligten alles gegeben und wir tun alles, was tatsächlich möglich und rechtlich zulässig ist.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Ich war am Mittwoch nach der Tat zusammen mit dem Leiter der Abteilung Polizei, Herrn Langhans, in Wilhelmshof. Kurz zuvor hatte man südlich der Bundesstraße Blutspuren gefunden. Die waren handflächengroß. Es wurden natürlich sofort von der Kriminaltechnik Proben genommen und diese eiligst zum Landeskriminalamt gebracht. Das LKA hat diese Spur sofort untersucht. Nur kurze Zeit später gab es Entwarnung. Es stellte sich heraus, dass das Blut von einem Tier stammt. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Dann nennen Sie noch ein paar.

Im Bereich von Wilhelmshof gab es zum Beispiel eine ganze Reihe Teiche und Tümpel. Die wurden alle ausgepumpt. Und das in Gebieten, wo normalerweise kein Mensch hinkommt. Wir haben zum Beispiel jedes Auto auf dem Gelände untersucht und nach Spuren, wie blonden Haaren, gesucht. Die Spurensicherung überprüfte auch jede Menge Zimmer und andere Räumlichkeiten.

Es handelt sich insgesamt um ein riesiges Areal, auf dem verschiedene Personengruppen und Patienten zusammenleben. So gibt es dort auf der einen Seite Suchtkranke, Geistigbehinderte, aber auch Betreuungs- und Versorgungspersonal sowie eine ganze Reihe Besucher. All diese Zeugen mussten von den Kollegen ausfindig, befragt und gegebenfalls auch überprüft werden.

Bei diesem großen Areal muss die Spurensicherung ja über Wochen beschäftigt gewesen sein?

Ja und wie. Und Sie müssen sich vorstellen, dass alles Vorrang gegenüber allen anderen Fällen hatte. Auch andere Bundesländer zogen sofort mit. So wurde in Berlin ein Mann mit Zopf barfuß an einer U-Bahn-Station mit einem kleinen Mädchen an der Hand gesehen. Die Berliner Kollegen haben sofort reagiert und alles überprüft. Am Ende stellte sich heraus, dass der Mann aus Prinzip barfuß läuft und das Mädchen seine Tochter war. Wir hatten ähnliche Hinweise auch aus Baden-Württemberg, Hessen und anderen Bundesländern. Die Zusammenarbeit funktionierte reibungslos.

In der Nähe des Tatortes befindet sich die psychiatrische Klinik Uchtspringe mit angeschlossenem Maßregelvollzug. Haben Sie da auch gesucht?

Ja, selbstverständlich sind wir auch hier jedem Ansatzpunkt gefolgt, haben mit dem Personal gesprochen und uns zum Beispiel die Vorgeschichten einiger Patienten angesehen.

Das völlig spurlose Verschwinden von Inga und Elias erinnert auch ein wenig an den Fall Madeleine McCann in Portugal. Die Britin wird seit 2007 gesucht. Haben Sie schon Kontakt mit den Behörden dort aufgenommen?

Regional und zeitlich gesehen liegen diese Fälle dafür zu sehr auseinander.