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Yadegar Asisi Meister der Riesenrundbilder

Yadegar Asisi kreiert die Unterwasserwelt des Great Barrier Reefs und Luther 1517 in Wittenberg als Panoramabild.

Von Grit Warnat 25.09.2015, 01:01

Berlin l In einem ehemaligen Gasometer in Leipzig fing die Panoramen-Welt des Yadegar Asisi an. Er zeigte 2003 den Mount Everest, dessen 50. Jahr der Erstbesteigung damals gefeiert wurde. Später ließ er auch in Dresden, Berlin, Pforzheim und Rouen in der französischen Normandie gewaltige Bilder entstehen. Die Völkerschlacht von Leipzig, der Regenwald Amazoniens, das antike Pergamon, Dresden im Barock und im vernichtenden Feuersturm 1945, die Mauer in Berlin. Am geschichtsträchtigen Checkpoint Charlie zerteilt sie die Stadt.

Asisis Rundbild steht dort mit Todesstreifen, Wachtürmen, Currywurst-Bude, Graffiti-Künstlern, bunter West-Reklame. Der Betrachter findet sich irgendwann in den 80er Jahren wieder. Es ist die Lebenswelt von Asisi gewesen. Er lebte mit der Mauer in seiner Stadt und der Normalität, dass sie existierte. „Ich wollte diese Normalität einfangen“, sagt der Künstler. „Ich spiele gern mit der kollektiven Erinnerung.“

Die deutsch-deutsche Teilung ist für ihn erlebte Geschichte. Jedem Thema, so erzählt er, muss er anders begegnen, immer wieder neue Ansätze finden. Zeitgeschichte, Natur, Städte, Wahrnehmung nennt er als seine großen Themenbereiche. Was er umsetzt, recherchiert und erkundet er akribisch. Asisi war am Everest, viermal in Amazonien, er war mehrmals in Australien, tauchte und fotografierte am Great Barrier Reef, dem größten Korallenriff der Welt. Ist er ein Abenteurer? „Nein, nein“, sagt der 60-Jährige. „Meine Gedanken sind abenteuerlich, sonst bin ich eher ein Langweiler, der nicht gerne reist.“

Dem Abenteuerlichen stimmt man gern zu, der Langweiler-Selbsteinschätzung aber keineswegs. Beseelt erzählt der Panoramist von seiner Arbeit, von seinen Visionen, seinen neuen Projekten.

Sein Augenmerk gilt jetzt dem Great Barrier Reef im Panometer Leipzig. Die finale Hängung naht. Innerlich steige die Anspannung, sagt er. Asisi weiß, was er zeigen will. Wie die 37 Polyester-Stoffbahnen, bedruckt im Sublimationsdruckverfahren, mit der dann zu sehenden Mischung aus Zeichnungen, Fotografien, Malerei, 3-D-Animationen aber auf den Besucher wirken werden, das könne er noch nicht abschätzen. Er wird das Endergebnis Anfang Oktober zum ersten Mal sehen. „Ich bin äußerst gespannt.“

Nahebringen will er die Schönheit der Unterwasserwelt und die Größe des Raumes, die er für den Besucher erlebbar machen möchte und dafür mit der Höhe spielt. „Ich werde das Wasser so klar machen, wie es in der Tiefe niemals ist.“ Blau, Azur und Grün in vielen Schattierungen. Raum und Weite durch Monumentalität. Auf 3500 Quadratmetern Wasser, Korallen, Fische, Meeresschildkröten. Das Great Barrier Reef wird so lang wie ein Fußballfeld und so hoch wie ein zehnstöckiges Haus. „Ein normales Bild kann all das nicht so zeigen, wie wir das tun“, sagt er und meint damit natürlich die Größe, aber eben auch seine Kunst, mit Überhöhung und Verdichtung zu arbeiten. Vor allem wolle er emotional packen, mit seiner Kunst die Herzen der Menschen berühren. Bei seinem Rundbild für Luther sei das nicht anders.

Asisi arbeitet längst an „Luther 1517“. Er hatte die Inspiration, die bildnerische Idee steht. „Es wird eine sehr erzählerische Arbeit“, sagt der Künstler. Ausgehend von Luther will er über die Menschen die Zeit vor 500 Jahren beschreiben. „Es geht nicht nur um Luthers Thesenanschlag, sondern vielmehr um dessen Auswirkungen.“ Er will in Episoden eine Zeitspanne von 30 Jahren beleuchten. Luther soll in mehreren Phasen seines Lebens gezeigt werden: als großer Veränderer, aber auch als Mensch seiner Zeit. Das alles verdichtet, auch fiktiv, bewusst inszeniert. Wie bei einem Gemälde. Entstehen wird alles am Computer.

Er wird nicht den Blick von oben auf das mittelalterliche Treiben richten, sondern mitten in der Stadt bleiben. Asisis Vorstellung: „Man kann den Menschen in die Augen schauen.“ 25 Leute arbeiten dafür.

Mehrmals reiste der Berliner nach Wittenberg, war auf der Schlosskirche, auf dem Schlossplatz, in den Straßen unterwegs. Unzählige Skizzen sind schon gemacht, das erste Fotoshooting für all die Menschen in Kostümen, die später ins Bild eingebaut werden, ist Mitte Oktober geplant, ein weiteres Shooting soll im Februar folgen. Asisi: „Es werden Szenen gespielt. Es läuft wie bei einer Filmproduktion.“

Wie aufwändig solche Produktionen sind, zeigt stellvertretend das Panorama „Leipzig 1813“ zur Völkerschlacht. Damals waren knapp 400 Komparsen in Kostümen und mit Reitpferden, Gespannen und Postkutschen unterwegs. Ziegen wurden fotografiert, ebenso Landschaften, Architektur. 50  000 Aufnahmen sollen entstanden sein.

Wenn Asisi über sein Wittenberg-Panorama spricht, dann fallen Worte wie Herausforderung, Anspruch, Verantwortung. Der Künstler wollte dieses Thema machen, weil er die Selbstbestimmtheit des Menschen darstellen will. Der Thesenanschlag habe die Welt verändert, sagt er. Seine Herausforderung: Das darzustellen. Über das Wie entscheidet er selbst. „Ich bin kein Vertreter der Stadt oder der Kirche.“

Asisi ist ein Antwort-Suchender. Was er sich vornimmt, schwelt erst, mit der Zeit tritt das Bild immer deutlicher hervor. Seit längerem schwebt ihm die Umsetzung des Terroranschlages 9/11 vor. Der hat 2001 die Welt verändert und das Sicherheitsempfinden der Menschen.

Der Panoramist will nicht die Türme des New Yorker World Trade Centers beim Einsturz, keine Staubwolken und menschliches Leid, sondern eine gewisse heile Welt fünf Minuten vor dem Crash darstellen. „Ich will zeigen, dass jeder Augenblick unser Leben verändern kann. Jeder Moment ist wertvoll.“