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Claudia Dalbert Erst bejubelt, dann abgewatscht

Sachsen-Anhalts Grüne gehen mit einer geschwächten Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf.

Von Michael Bock 27.09.2015, 19:46

Magdeburg l Eigentlich schien alles wie am Schnürchen zu laufen: Claudia Dalbert (61) hielt eine ordentliche Parteitagsrede. Die Psychologie-Professorin verwies darauf, dass ihre Fraktion Klimaschutz und Erneuerbare Energien in die politische Debatte eingebracht habe. Sie watschte CDU und SPD ab. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) habe „überhaupt nicht verstanden, was eine Energiewende ist“, sagte sie. Und SPD-Chefin Katrin Budde, die sich wie Haseloff für die Nutzung von Braunkohle ausgesprochen hat, habe sich im Burgenlandkreis „zur Kumpelkönigin ausrufen lassen“, fügte sie hinzu.

„Wir müssen einen guten Wahlkampf machen“, rief Dalbert den Delegierten zu. „Dann schaffen wir auch eine Acht oder Neun vor dem Komma.“ 2011 waren die Grünen mit 7,1 Prozent der Stimmen in den Landtag gekommen. Eine aktuelle Wahlumfrage verortet sie derzeit bei sieben Prozent.

Für die Rede bekam Dalbert viel Applaus. In der Aussprache gab es keine kritische Stimme, sondern nur launige Fragen. Etwa die der grünen Jugend, ob sie schon mal bekifft gewesen sei. „Ja, ich habe schon mal in meinem Leben gekifft“, bekannte Dalbert.

Die Stimmung war also prächtig – und dann das: Bei der Wahl zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 13. März 2016 erhielt die gebürtige Kölnerin nur 49 Ja-Stimmen. 26 Delegierte stimmten gegen sie, drei enthielten sich. Es gab keine Gegenkandidatin. Damit erreichte Dalbert, die Fraktionsvorsitzende im Landtag ist, eine Zustimmung von nur knapp 63 Prozent. Bei ihrer Spitzenkandidatur vor der Landtagswahl 2011 war sie noch auf 81 Prozent gekommen.

Das überraschende Ergebnis jetzt war am Rande des Parteitages das große Thema. Wie konnte es dazu kommen? „Das ist eine Denkaufgabe für unsere Spitzenkandidatin“, sagte Landeschefin Cornelia Lüddemann. Dalbert müsse wohl mehr in den Landesverband hineinwirken. „Wir sind eine komische Partei“, sagte ein Delegierter achselzuckend. „Man überlegt sich nicht, welche Außenwirkung ein solches Ergebnis hat.“

„Schwere Hypothek für den Wahlkampf.“

Ein anderer ergänzte: „Die Basis will zeigen, dass sie auch was zu sagen hat.“ Erst klatschen, dann abwatschen? „Das ist eine gewisse Unehrlichkeit“, ärgerte sich ein Delegierter. „Das ist kein gutes Signal. Der Landesverband ist nicht erwachsen genug.“

„Die Grünen sind kein Kanzlerwahlverein.“

Auch die Persönlichkeitsstruktur Dalberts wurde hinter vorgehaltener Hand als Grund angeführt. Einer, der sie gut kennt, sagte: „Sie kann ruppig sein und ist in den zurückliegenden Jahren vielen auf den Schlips getreten. Das Wahlergebnis ist eine schwere Hypothek für den Wahlkampf.“ Ein anderer pflichtete bei: „Sie ist ein kantiger Typ. Das kommt nicht immer gut an.“ Ein Landtagsabgeordneter sagte: „Sie gibt die Linie vor, sie führt. Da ist man nicht immer beliebt.“

Dalbert selbst lächelte das miese Wahlergebnis trotzig weg. „Das geht in Ordnung. Die Grünen sind kein Kanzlerwahlverein“, sagte sie. Dann noch: „Die Partei hat Angst, dass Leute, die vorn stehen, abheben könnten.“