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Stadt und Flecken Rückkehr eines Statussymbols

Dutzende Städte haben mit der letzten Gebietsreform ihren Titel verloren. Den haben sie jetzt wieder.

Von Hagen Eichler 29.09.2015, 01:01

Magdeburg l Die Zuneigung zu Friedrich dem Großen ist im Harzörtchen Benneckenstein womöglich noch größer als in der sandigen Mark Brandenburg. Der Alte Fritz war es, der 1740 eine jahrhundertealte Teilung Benneckensteins zwischen verschiedene Kleinstaaten beendete. Ein Jahr später verlieh er dem Ort obendrein das Stadtrecht. Noch im vergangenen Jahr stifteten die dankbaren Benneckensteiner dem Preußenkönig ein Denkmal. Eine Wunde freilich schmerzte bei der Feier sehr: Friedrichs Hinterlassenschaft, der Status als Stadt, war mittlerweile futsch – verloren bei der Gebietsreform 2010.

Umso größer ist die Freude, dass der Zusatz „Stadt“ jetzt wieder da ist. „Wir sind glücklich“, sagt Ortsbürgermeister Hans-Herbert Schulteß (CDU). Im Dezember hatte er gemeinsam mit dem Oberhäuptern von Elbingerode und Hasselfelde die Urkunde zur Rückgabe des Stadttitels erhalten. Alle drei Ortsteile, die seit 2010 zur Stadt Oberharz am Brocken gehören, hatten sich das dringend gewünscht.

Praktische Folgen? In Benneckenstein bislang nicht. „Auf den Ortsschildern steht es noch nicht, da muss ich mal nachhaken“, sagt Schulteß. Auch auf seinem Ortsbürgermeister-Briefpapier darf er jetzt das Wort „Stadt“ ergänzen. „Dazu kommt dann schön unser Stadtwappen mit dem heiligen Laurentius“, freut sich Schulteß.

Es geht um ein Statussymbol. „Mei sind mei“, heißt es in einem alten Mundartgedicht über den „injebildeten Benneckensteiner“. Rechtlich gibt es heute keinen Unterschied zwischen einem Ort wie Tanne und Benneckenstein – beide sind bloße Ortsteile. Tanne aber war immer eine Gemeinde, Benneckenstein eine Stadt. Dieser historische Statusunterschied ist nun symbolisch wiederhergestellt.

Nicht nur im Oberharz. Die Empörung, dass das Land Sachsen-Anhalt 2010 zu Unrecht historische Rechte einkassiert hat, gibt es landauf, landab. Insgesamt 30 einst selbstständige Kommunen, die heute bloße Ortschaften sind, haben sich ihren historischen Titel bereits zurückgeholt, wie eine Volksstimme-Umfrage ergab. Die Genehmigung haben die Landkreise erteilt. Von einem abgelehnten Antrag ist nichts bekannt. Vor allem im Harz, in der Börde und in Anhalt-Bitterfeld wurden Ortsnamen ergänzt. In 28 Fällen kam das Wort „Stadt“ zurück. Weferlingen und Calvörde hingegen (beide Landkreis Börde) heißen wieder „Flecken“ – eine Bezeichnung, die auf historische Marktrechte verweist.

Manche Orte hatte der Bedeutungsverlust so sehr geschmerzt, dass sie ihn einfach ignorierten. In Seehausen (Börde) ließ Ortsbürgermeister Eckhard Jockisch bereits vor vier Jahren aus Protest fünf stählerne Platten mit dem Wappen und dem Schriftzug „Stadt Seehausen“ anbringen. Legal war das nicht. Aber immerhin führte der Ort das Stadtrecht bereits seit 1197.

Hier und dort bringt die Rückbenennung kuriose Situationen. Im Harz etwa können sich die Stolberger nun wieder Städter nennen – müssen aber gleichwohl hinnehmen, dass sie zu einer Verwaltungseinheit gehören, die „Südharz“ heißt und lediglich eine Gemeinde ist. Und dass Calvörde gleich zwei Bürgermeister hat, dürfte nicht nur Zugereiste verwirren: Dort ist der Flecken Calvörde (angeführt vom Ortsbürgermeister) Teil der Gemeinde Calvörde (geleitet vom Bürgermeister).