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Psychiatrie Rechtswidrig weggesperrt

Eklatante Mängel prangern Prüfer nach dem Kontrollbesuch eines Heims in Haldensleben an. Der Betreiber widerspricht den Vorwürfen.

Von Dan Tebel 22.09.2016, 01:01

Magdeburg l In einem psychiatrischen Wohnheim des Ameos-Konzerns in Haldensleben fanden die Prüfer des Ausschusses bei einem Kontrollbesuch im November vergangenen Jahres rechtswidrige Zustände vor.

Mehrere Patienten seien in der geschlossenen Einrichtung festgehalten worden, obwohl keine Unterbringungsbeschlüsse vorlagen. Nach Volksstimme-Informationen geht es um drei Fälle.

Solche Beschlüsse müssten regelmäßig überprüft werden. Das habe der Träger versäumt, sagte Ausschussvorsitzender Bernd Langer bei der Übergabe des Psychiatrieberichtes an Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) am Mittwoch. Die Betroffenen hätten daher in einer offenen Einrichtung untergebracht werden müssen.

„Für die strafrechtliche Relevanz freiheitsentziehender Maßnahmen scheint in der Einrichtung kein ausreichendes Bewusstsein zu bestehen“, heißt es im Bericht.

Der Betreiber des Heims widerspricht den Vorwürfen: „Wir können garantieren, dass kein Bewohner in der Ameos Pflege und Eingliederungshilfe Haldensleben ohne richterliche Anordnung im geschützten Bereich festgehalten wird“, sagte Alexa von Dossow, eine Ameos-Pressesprecherin, am Mittwochabend in einer Stellungnahme.

Es komme jedoch immer wieder vor, dass Bewohner den geschützten Bereich auf freiwilliger Basis bewohnen, so von Dossow. Einer der Bewohner sei bis 20. Mai 2015 mit richterlichem Beschluss, aber nach diesem Tag freiwillig dort untergebracht gewesen. Es sei ihm möglich gewesen, den Bereich zu verlassen, er habe auch diverse Städtereisen absolviert. Seit dem 2. Dezember 2015 sei der Bewohner wieder mit richterlichem Beschluss untergerbracht und könne den Bereich nicht mehr eigenmächtig verlassen.

Die Sprecherin bestätigte, dass im Sommer 2015 der Einrichtungsleiter gewechselt habe. Es gebe aber keinen Zusammenhang mit den jetzigen Vorwürfen. „Selbstverständlich nehmen wir alle Anregungen der Besuchskommission sehr ernst und setzen diese engmaschig um“, erklärte von Dossow.

Ernst genommen hat auch die Kommission ihre Kontrollaufgabe: „Nach dem Besuch wurde die Heimaufsicht tätig und die Betreuungsbehörde eingeschaltet“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses auf der Pressekonferenz im Landtag. Im März dieses Jahres, vier Monate nach der ersten Besichtigung, kam die Komission zu einem unangekündigten Kontrollbesuch in die Haldensleber Einrichtung. Aus dem Psychiatriebericht geht hervor, dass empfohlene Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet worden seien. Außerdem habe es zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue Einrichtungsleitung und Betreuer gegeben.

Dieser Fall ist einer von zwei eklatanten Vorkommnissen, die aus dem Unterschungsbericht hervorgehen. In einer Einrichtung in Halle habe die Kommission bei ihrem Besuch Patienten gefunden, die „schlichtweg verwahrt“ wurden, ohne fördernde Angebote bereitzustellen. Zudem habe es dort zu wenig ausreichend qualifizierte Mitarbeiter gegeben.

Langer machte aber deutlich, dass es sich hierbei um Einzelfälle handle. Dem stehe eine Vielzahl von Fällen gegenüber, in denen exzellente Arbeit geleistet werde. Die Probleme unterstrichen aber die Notwendigkeit des Ausschusses. Eine wirksame Kontrolle sei wichtig, so der Ausschussvorsitzende. Ingesamt wurden von der Kommission 93 Einrichtungen der psychatrischen Krankenversorgung in Sachsen-Anhalt besucht.

Weitere wichtige Themen aus dem 23. Jahresbericht des Psychiatrieausschusses seien die fehlende ambulante Versorgung in den weitläufigen Landkreisen, die zu einer häufigen stationären Aufnahme in Kliniken führe.

Auch der Übergang aus einer Klinik in die sogenannte Eingliederungshilfe, also das Finden eines Wohnheimplatzes, gelinge nicht so schnell wie erforderlich.