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CDU-Landeschef Webel „Mit 62 nicht in den Ruhestand“

Der langjährige CDU-Chef Thomas Webel will am Sonnabend zum siebten Mal für den Vorsitz kandidieren.

Von Jens Schmidt 15.11.2016, 00:01

Volksstimme: Herr Webel, Sie sind seit 2004 CDU-Landesvorsitzender. Warum treten sie noch einmal an?

Thomas Webel: Wir haben nächstes Jahr Bundestagswahlen. Wir hatten 2013 alle neun Wahlkreise in Sachsen-Anhalt gewonnen, wir hatten über 40 Prozent bei den Zweitstimmen. Wir wollen alles daran setzen, das wieder zu schaffen. Das wird keine leichte Aufgabe. Da müssen wir noch einiges dafür tun. Da will ich als Landesvorsitzender meinen Beitrag leisten.

Bei aller Erfahrung: Wollen Sie der ewige Vorsitzende sein?

Ganz sicher nicht. Wir wählen ja auch immer nur für zwei Jahre. Und was ich 2018 mache – das entscheide ich zusammen mit der Partei zu gegebener Zeit.

Kümmern Sie sich um die Nachfolge?

Sie können davon ausgehen, dass wir die Entscheidung, die Riege der stellvertretenden Parteivorsitzenden 2012 zu verjüngen, nicht ganz zufällig getroffen haben. Und jeder Stellvertreter kommt natürlich prinzipiell auch immer als Vorsitzender in Betracht.

Es gab einige Querelen in den Kreisverbänden; so in der Altmark wegen der Wahlfälschung. Und nun hat sich die Kreistagsfraktion im Saalekreis zerlegt. Wie wollen Sie das dort kitten?

Auf keinen Fall auf Marktplätzen oder über die Medien. Ich führe aber viele Gespräche, ob am Telefon oder persönlich. An deren Ende wird die CDU vor Ort ihre Geschlossenheit wieder herstellen.

Angesichts dieser Vorgänge: Können Sie noch auf ein ordentliches Welches Wahlergebnis hoffen?

Sonst würde ich gar nicht erst antreten und bei allen Delegierten um erneutes Vertrauen werben. Ich weiß aber auch, dass 100-Prozent-Ergebnisse illusorisch sind.

Sie peilen 40 Prozent bei der Bundestagswahl an – ist das angesichts der Stimmungslage realistisch?

Es sind noch zehn Monate Zeit. Und die Wahl wird nicht allein in Sachsen-Anhalt entschieden, da hat die Bundespolitik einen großen Anteil dran. Familien, Rente, Wirtschaft und Flüchtlingsintegration werden sicherlich die großen Themen sein.

Wie will die Union angesichts der gewachsenen AfD-Konkurrenz ihr konservatives Profil schärfen?

Wir müssen die Menschen überzeugen, dass sie bei der CDU besser aufgehoben sind, wenn es um die Zukunft Deutschlands geht. Bei den Bürgermeisterwahlen ist uns dies ja schon gelungen, die AfD-Kandidaten kamen nicht mal in die Stichwahl. Die Leute haben hier gesehen, dass die AfD eben keine Alternative ist, weil sie keine Lösungsansätze bietet. Und genau das erleben wir ja auch im Landtag. Die AfD ist da nicht mal oppositionsfähig.

Die CDU schließt derzeit ein Bündnis mit der AfD aus. Könnte sich das künftig ändern?

Wir wollen alles dafür tun, dass rechts von uns keine andere demokratische Partei existiert und dass wir Wähler zurückholen. Wir decken ein breites Spektrum ab: vom Arbeitnehmerflügel bis ins Konservative. So lange die AfD Stimmung auf Kosten von Flüchtlingen und Minderheiten macht und daraus ihren Nutzen zieht, so lange ist sie für uns kein Partner. Im Landtag kommen AfD-Redner bei fast jeder Debatte auf das Thema Flüchtlinge – sie machen diese Menschen für fast alle Probleme verantwortlich. Das geht mit uns nicht.

Aber die AfD bekommt nach wie vor hohe Umfragewerte. Warum gelingt Ihnen nicht der Stimmungswechsel?

Viele wählen Protest. Früher war die Linke Protestpartei, heute ist es die AfD. Wir müssen erreichen, dass die Leute wieder mehr auf Substanz setzen und weniger auf Show.

Was wollen Sie den Wählern anbieten – zum Beispiel in der Familienpolitik?

Es sollte wieder möglich sein, dass man Kinder großziehen kann ohne gravierende finanzielle Nachteile zu haben. Die stetige Erhöhung des Kindergeldes ist nicht das Allheilmittel. Ich finde, es wäre besser, zum Beispiel eine kostenlose Kinderbetreuung anzubieten. Darüber sollten wir diskutieren.

Ein großes Wahlkampfthema ist auch die Rente. Wie ist Ihre Position?

Die Rente mit 71 halte ich nicht für zielführend. Wir sollten uns aber auch nicht wieder eine Reduzierung des Renteneintrittsalters abhandeln lassen. Da halte ich eine Gleichbehandlung älterer Frauen bei der Mütterrente für wichtiger. Das wäre nur gerecht.

Sie haben auf Regionalkonferenzen eine innerparteiliche Diskussion mit der Parteibasis gesucht. Spielt die Flüchtlingspolitik noch eine große Rolle?

Sie spielt keine so gravierende Rolle mehr, weil sich die Lage entspannt hat. Was Kommunalpolitiker noch stark bewegt, ist die Unterbringung der etwa 1500 Minderjährigen, die ohne Eltern hier angekommen sind. So ein Heimplatz für einen unbegleiteten Flüchtling kostet im Jahr schnell 50000 Euro. Und hier fordern wir eine deutlich stärkere Beteiligung durch den Bund.

Gab es noch andere Themen?

Ein großes Thema ist das Kinderfördergesetz. Es versteht keiner unserer Kommunalpolitiker, warum wir das ich nicht längst angefasst haben. Obwohl immer mehr Geld fließt, ist niemand zufrieden. Nun sollen Betreuung und Finanzierung erst bis 2018 überprüft werden, das ist vielen zu lange. Auch der Rechtsanspruch auf zehn Stunden für alle ist ein Thema.

Wir finden, dass nur Beschäftigte einen Anspruch auf zehn Stunden für ihre Kinder haben sollten – und ansonsten acht Stunden Mindestbetreuung ausreichen. Wir müssen die Zufriedenheit steigern ohne dass es für alle teurer wird. Das geht nur über die Zeiten, da wir den Mitarbeiter-Schlüssel nicht ändern wollen. Wer keinen Job hat, kann sein Kind auch mal zwei Stunden eher aus der Kita abholen. Die SPD-Spitze will ja an der zehn-Stunden-Regel für alle festhalten, weil wir sonst angeblich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bekommen. SPD-Kommunalpolitiker sehen das meist anders, vielleicht sollten die Spitzen-Genossen mal ihre Bürgermeister und Landräte fragen.

In der CDU gibt es wenige innerparteiliche Debatten. Warum stoßen Sie nicht mehr an?

Ich kenne diesen Vorhalt. Ich muss Sie da aber korrigieren. Wir haben mit Beginn der letzten Wahlperiode in der CDU eine intensive Grundsatzprogrammdebatte gestartet und 2013 unser neues Grundsatzprogramm beschlossen. Danach haben wir zusammen mit vielen externen Impulsgebern eine sehr spannende Diskussion darüber geführt, wie unser Land zukünftig aussehen soll. 2015 haben wir dazu den ersten Zukunftskongress „Sachsen-Anhalt 2025“ organisiert und dort Zukunftsthesen beschlossen. Hinzu kam außerdem noch unser Regierungsprogramm 2016-2021. Jetzt haben wir mehrere Regionalkonferenzen durchgeführt und uns über aktuelle Themen ausgetauscht. Die CDU ist eine sehr lebendige Partei.

Warum waren die Konferenzen nicht-öffentlich?

Es war der Wunsch der Basis – man wollte frei reden.

Auf dem Parteitag wird erstmals ein Generalsekretär gewählt. Soll er mehr Schwung bringen?

Zu seinen Aufgaben gehört es, innerparteiliche Diskussionen anzustoßen und das Profil der CDU zu schärfen. Und sicherlich wird er auch die Auseinandersetzung mit den anderen Parteien suchen.

Verliert die CDU in der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen an Profil?

Wir haben in den Koalitionsverhandlungen viele Inhalte unseres Wahlprogramms durchgesetzt und uns nicht viel abhandeln lassen. Zum Beispiel haben wie eine Obergrenze bei Flüchtlingen definieren können. Oder: Die Koalition akzeptiert den Bundesverkehrswegeplan. Wer hätte je gedacht, dass die Grünen mal für den Weiterbau von A 14, A 143 und den Saale-Seitenkanal sind?

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Koalition?

Die Zusammenarbeit im Kabinett ist sehr kollegial. Auch die Landtagsfraktionen arbeiten diszipliniert. Nur manchmal verwischen die Grenzen zwischen Regierungskoalition und Opposition - wenn etwa Grüne zusammen mit Linken gemeinsame Anfragen an die Regierung stellen. Das geht nicht.

Ist es jetzt schwieriger zu regieren als nur mit der SPD?

Nein, das nicht. Wir müssen uns nur im Bundesrat öfter der Stimme enthalten, da die Grünen in etlichen Fragen nicht mitgehen. Das ist vor allem bei der asylpolitischen Frage der sicheren Drittstaaten ärgerlich.

Ist „Kenia“ eine Empfehlung für den Bund?

Ich denke mal, den beiden großen Parteien CDU und SPD wird es gelingen, so viele Stimmen zu bekommen, dass sie keinen dritten Partner brauchen.

Plädieren Sie für eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD auf Bundesebene?

Nach den derzeitigen Umfrageergebnissen sehe ich keine andere Möglichkeit. Es wäre keine schlechte Lösung für Deutschland.

Werden dadurch nicht weiter die Ränder gestärkt?

Das muss nicht zwangsläufig so sein. Wichtig ist, dass das Profil der Partei auch in einer großen Koalition erhalten bleibt.

Soll Angela Merkel wieder gemeinsame Kanzlerkandidatin der Union werden?

Ich sehe zu ihr weder in der CDU noch in der CSU eine bessere Alternative.

Ist diese Alternativlosigkeit ein gutes Zeichen?

Ach, Angela Merkel ist so alt wie ich – mit 62 muss man noch nicht in den Ruhestand gehen.