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BestechlichkeitAnkläger: Finzelberg war selbstsüchtig

Für vier Jahre und sieben Monate soll der ehemalige Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg, ins Gefängnis.

10.03.2017, 09:11

Magdeburg l Mit versteinerter Miene nimmt er die Worte von Oberstaatsanwältin Brigitte Strullmeier zur Kenntnis. Seit mehr als drei Stunden fasst sie den Korruptionsprozess zum Müllskandal aus ihrer Sicht zusammen. Doch nun, am späten Donnerstagnachmittag, ist der entscheidende Moment endlich gekommen. Jetzt geht es um die nackten Zahlen. Und die sind nicht gut für den Ex-Landrat des Jerichower Landes. Vier Jahre und sieben Monate. Haftstrafe. Finzelberg schreibt mit. Er würdigt die Oberstaatsanwältin in diesem Moment keines Blickes.

50 Verhandlungstage, eineinhalb Jahre, sind seit dem Prozessauftakt ins Land gegangen. Für die Staatsanwaltschaft steht nach der Beweisaufnahme fest: Finzelberg hat im Zuge des Müllskandals Bestechungsgelder und Zuwendungen wie die Nutzung von Autos im Wert von mehr als 252.000 Euro angenommen und im Gegenzug Genehmigungsverfahren für einen Tongrubenbetreiber vorangetrieben. Das haben die Vertreter der Anklagebehörde am Donnerstag noch einmal ausführlich dargelegt.

In den Tongruben in Möckern und Vehlitz wurden bis zum Jahr 2008 mehr als 1,3 Millionen Tonnen Müll illegal abgelagert. Die Folgen sind gravierend: belastete Böden, Sanierungskosten in Millionenhöhe. Die Unternehmer, die dafür verantwortlich sind, hat Finzelberg nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bestens gekannt und sich für sie eingesetzt. Die Stellungnahmen für die Genehmigungen zur Verfüllung, die der Landkreis bei den Landesbehörden abgeben musste, waren stets wohlwollend – mehrfach wurden die Schriftstücke dem Tongrubenbetreiber vorab zugesandt, damit dieser über alles bestens informiert war. Regelmäßig telefonierte oder traf sich der Landrat mit dem Unternehmer, wenn es etwas zu regeln gab. Mitarbeiter der Kreisverwaltung habe Finzelberg „manipuliert und zu rechtswidrigem Verhalten angehalten“, wirft ihm Strullmeier vor, damit die Stellungnahmen in die gewünschte Richtung gingen. Und: Nach Genehmigungsverfahren sind auf Finzelbergs drastisch überzogenen Konten regelmäßig hohe Bargeldzahlungen eingegangen. Generell hätten die Ausgaben des Ehepaars Finzelberg die Einnahmen „bei weitem überstiegen“, sagt die Oberstaatsanwältin. Die finanzielle Situation sei über Jahre äußerst angespannt gewesen.

Finzelberg sitzt stoisch ruhig da. Auch, als Strullmeier den Ton noch verschärft. Die drohenden Schäden für die Umwelt und die Belastungen für die Menschen habe Finzelberg „ausgeblendet“, sagt sie. „Selbstsüchtig“ habe er gehandelt und „seine Stellung als Landrat missbraucht“. „Er hielt die Hand über das Unternehmen, um die eigenen Zuwendungen zu sichern“, so Strullmeier.

Auch heute sei er immer noch „uneinsichtig“, wirft sie ihm vor. Das Fazit der Oberstaatsanwältin: Vier Jahre und sechs Monate Haft. Weil der Ex-Landrat auch noch Dienstfahrten falsch deklariert und Steuern in Höhe von 71.000 Euro hinterzogen haben soll, fällt die geforderte Gesamtstrafe noch einen Monat höher aus.

Nach der stundenlangen Verhandlung wirkt Finzelberg verbittert. Er habe von dem heutigen Tag nichts anderes erwartet, sagt er. Der Ex-Landrat hat die Vorwürfe stets bestritten. Mit Blick auf die Staatsanwaltschaft äußert er sich abfällig: „Das Maß an Ignoranz gegenüber den Ergebnissen der Beweisaufnahme ist für mich erschreckend.“ Auch sein Anwalt Andreas Meschkat teilt gegen die Ankläger aus. „Die Vorwürfe zu den finanziellen Engpässen sind völlig absurd“, erklärt er. In zwei Wochen findet sein Plädoyer statt. Dann will der Verteidiger aufzeigen, dass es für „alle Ein- und Auszahlungen eine Gegendeckung“ gegeben habe.