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Beraterverträge Berateraffäre erreicht Staatskanzlei

Die Affäre um Beraterverträge hat jetzt auch das CDU-geführte Verkehrsministerium und die Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt erreicht.

Von Jens Schmidt 16.09.2016, 01:01

Magdeburg l Die Sitzung des Verkehrsausschusses am Donnerstag im Landtag nahm eine ungeahnte Wendung: Der Chef des landeseigenen Nahverkehrsunternehmens Nasa, Rüdiger Malter, stellte eine Studie zur „Einführung elektrisch betriebener Linienbusse in Sachsen-Anhalt“ vor. Die Nasa untersteht politisch Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Kosten der im September 2015 in Auftrag gegebenen Untersuchung: rund 150.000 Euro. Zwei Referatsleiter aus dem Ministerium hatten die Nasa mit der Studie beauftragt.

Alles schien im Ausschuss Routine. Dann kamen Nachfragen von der Opposition. Wurde die Studie zuvor dem Finanzausschuss zur Genehmigung vorgelegt? Antwort: nur müdes Schulterzucken. Auf Nachfrage der Volksstimme antwortete Nasa-Chef Malter: „Nach meiner Kenntnis nicht.“

Die seit 2005 geltenden Transparenzregeln sagen: Auftragswerke ab 5000 Euro müssen der Staatssekretärs-Konferenz vorgelegt werden. Bei Vergaben über 20.000 Euro muss der Finanzausschuss grünes Licht geben. Was aber passierte?

Nur ein Jahr später, am 20. Februar 2006, wurde für die Nasa, sanktioniert von Staatsminister Rainer Robra (CDU), eine Ausnahmeregelung geschaffen. Malter sagte der Volksstimme, die Staatssekretärs-Konferenz habe seinerzeit entschieden, dass das übliche Vorlageverfahren nicht für die Nasa gelte. Im Protokoll ist festgehalten, dass Robra auf Nachfrage erklärte, die Nasa müsse vor Auftragsvergabe nicht die Staatssekretärs-Konferenz einbinden. Dieses Gremium gilt als eine Art Vorstufe für den Finanzausschuss.

Ein Regierungssprecher sagte, 2006 sei in der Staatssekretärskonferenz geklärt worden, „dass nur solche Gutachtenaufträge der Nasa nicht in der Staatssekretärskonferenz vorzustellen sind, die vollständig aus Regionalisierungsmitteln des Bundes beglichen werden und damit den Landeshaushalt nicht unmittelbar belasten“. Und: „Über das Verfahren zur Vorlage derartiger Aufträge im Finanzausschuss ist nicht gesprochen worden. Das hat also nicht Herr Robra so entschieden, sondern die Staatssekretärsrunde.“

Ro­bra ist für die Kontrolle der Verträge verantwortlich. Erst am Montag hatte er vor den Staatssekretären mit Entlassungen gedroht, falls weitere Details an die Öffentlichkeit gelangen sollten.

Der Präsident des Landesrechnungshofes, Kay Barthel, sagte: „Auch bei Auftragsvergaben durch die Nasa muss der Finanzausschuss eingebunden werden. Es kann nicht sein, dass die Staatssekretärs-Konferenz einen klaren Beschluss des Landtags eingeschränkt hat. Das geht gar nicht.“

Wulf Gallert (Linke) sagte: „Es wird offensichtlich seit 2006 gegen die Transparenzregeln des Landtags verstoßen.“ Für eine Ausnahmeregelung fehle jede inhaltliche Begründung. Gallert: „Es gab nicht nur ein System Bullerjahn, es gibt auch ein System Robra.“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Cornelia Lüddemann, sagte: „Wenn es einen solchen Globalbeschluss gab, dann ist das ein Affront gegen das Parlament. Wir werden da nachhaken.“ CDU-Verkehrspolitiker Frank Scheurell hingegen meint: „Es ist alles ganz korrekt gelaufen. Es handelt sich um eine Studie – und Studien müssen nach den geltenden Transparenzregeln nicht vorgelegt werden.“ Rechnungshofpräsident Barthel entgegnete: „Das ist Quatsch.“ Seit Jahren sei unstrittig, dass die Regeln auch für Studien gelten. Im November 2014 hat das Justiziariat des Finanzministeriums dies noch einmal bekräftigt. Bei Beraterverträgen, Gutachten und Studien mit einem Volumen von über 20.000 Euro müsse die Einwilligung des Finanzausschusses eingeholt werden.

Warum aber wurde der Finanzausschuss konsequent umgangen? In Regierungskreisen ist zu hören, die Transparenzregeln seien lebensfremd und nicht praktikabel. Wenn alle Verträge – wie vom Landtag beschlossen – Staatssekretärsrunde und Finanzausschuss vorgelegt würden, wären diese Gremien lahmgelegt.

Das aber wurde im Landtag nie angesprochen, der die Regeln hätte ändern können. Dem Vernehmen nach wurde in fast allen Ministerialbehörden ähnlich verfahren wie bei der Nasa.