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Gruppierung Identitäre Bewegung ist kein Strohfeuer

Die rechtsextreme Gruppe konnte sich laut Innenministerim vor allem in Halle und im Harz etablieren.

Von Jörn Wegner 23.10.2016, 10:33

Magdeburg l Die rechtsgerichtete „Identitäre Bewegung“ (IB) etabliert sich zunehmend im Süden von Sachsen-Anhalt. Das ergab die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Henriette Quade. Die organisatorischen Schwerpunkte der Gruppen liegen im Harz und in Halle. Letztere IB-Gruppe nennt sich „Kontrakultur“ und fiel in den vergangenen Monaten mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf. Die Harzer Identitären organisierten 2015 und 2016 über Monate wöchentliche Kundgebungen in Wernigerode.

Laut Innenministerium haben an diesen zwischen 50 und 150 Personen teilgenommen. Insgesamt 21 Veranstaltungen und Aktionen der IB zählte das Innenministerium seit April 2015 in Sachsen-Anhalt. Dabei wurden fünf Straftaten registriert: zwei Sachbeschädigungen, zwei Nötigungen und Verwendung von Zeichen verfassungswidriger Organisationen.

Zudem, so das Ministerium, wirken ehemalige Mitglieder von NPD und deren Jugendorganisation JN in der IB mit. Besonders drastisch war der Einsatz des Neonazis Emanuel R. als Ordner bei einer der Wernigeröder Kundgebungen. R. war 2007 zu einer vierjährigen Haftstrafe aufgrund mehrfacher gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Er hatte mehrere Menschen so lange gegen den Kopf getreten, bis sie sich nicht mehr bewegten. Eindeutiger Kern der IB im Land ist Halle, sagt David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg. „In Halle gibt es eine gewachsene burschenschaftliche Struktur“, so Begrich. „Da sitzen die strategischen Köpfe.“

Das Zentrum der IB sei die pflichtschlagende Halle-Leobener Burschenschaft Germania, das Burschenschaftshaus ein wichtiger Treffpunkt. Neben Burschenschaftern rekrutiere sich die IB aus zwei weiteren Gruppen, erklärt Begrich: Neonazis und neu gewonnenen Anhängern. Die IB Halle habe große Bedeutung in der bundesweiten IB, sagt Hilmar Steffen, stellvertretender Leiter des Landesverfassungsschutzes.

Während die Hallenser „Kontrakultur“ den Kopf der IB darstellt, wird im Harz umgesetzt, was anderswo geplant wird. Die dortige Struktur mit ihren Wurzeln in der NPD und JN unterscheide sich deutlich vom intellektuellen Zentrum Halle, erklärt Begrich. 2016 trat mit der IB Magdeburg erstmals eine neue Gruppierung in die Öffentlichkeit. Mit Transparenten an den Magdeburger Ringbrücken und Plakatierungsaktionen sorgte sie für Aufmerksamkeit. Trotzdem glaubt David Begrich nicht, dass die Magdeburger Gruppe weiter wachsen wird.

Quantitativ sei das ohnehin kaum zu bestimmen, da es in den losen IB-Zusammenschlüssen keine Mitgliedsstruktur gebe. Qualitativ sei aber ein Entwicklungssprung zu sehen, vor allem im Vergleich zu 2013, als die IB zum ersten Mal in Deutschland auftrat. Seitdem ist die IB deutlich präsenter und aktiver geworden. Auch Hilmar Steffen sagt, dass die IB „kein Strohfeuer“ sei.

Als „eine der gegenwärtig aktivsten rechtsextremen Gruppen“ bezeichnet die Fragestellerin Henriette Quade die IB. Die Linken-Landtagsabgeordnete kritisiert, dass in der Antwort der Landesregierung viele Aktionen der IB gar nicht erwähnt werden, etwa Übergriffe auf Linke. Hilmar Steffen sagt, dass alle bekannten Straftaten in der Antwort aufgeführt sind. Die IB achte derzeit darauf, nicht mit Gewaltaktionen aufzutreten. Das bestätigt auch David Begrich: „Die Grenze zur Gewalt wird nicht überschritten.“

Zudem verschweige die Antwort die personellen Kontinuitäten zwischen IB und NPD weitgehend, genauso wie Verbindungen zu anderen extrem rechten Gruppen, so Quade. „Da wissen außerparlamentarische Akteure mehr als der Verfassungsschutz.“