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Kaiserschnitt Angst vor der Geburt

Immer mehr Kinder in Sachsen-Anhalt kommen per Kaiserschnitt zur Welt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl verdoppelt.

Von Elisa Sowieja 14.10.2016, 01:01

Magdeburg l Im vergangenen Jahr wurde hierzulande knapp jedes dritte Kind per Kaiserschnitt entbunden. Mit 30,1 Prozent liegt Sachsen-Anhalt zwar knapp unter dem Bundesschnitt. Doch während deutschlandweit die Zahl im Vorjahresvergleich minimal sank, stieg sie hier im selben Maße an. Der Aufwärtstrend hält schon lange: Seit 1996 hat sich der Anteil der Kaiserschnitte verdoppelt. Dabei sind diese laut Weltgesundheitsorganisation nur bei 10 bis 15 Prozent der Schwangerschaften medizinisch notwendig – etwa, wenn das Kind quer liegt oder unregelmäßige Herztöne hat.

„Viele Mediziner machen lieber einen Kaiserschnitt zu viel als einen zu wenig. Sie fürchten verklagt zu werden, wenn ein Kind bei der Spontangeburt mit einem Schaden auf die Welt kommt“, erklärt Professor Serban-Dan Costa, Leiter der Universitäts-Frauenklinik Magdeburg. Was die Mütter betrifft, sagt er: „Kaiserschnitte sind in den vergangenen 20 Jahren schonender geworden. Wenn es Frauen danach gut geht, spricht sich das herum.“

Grundsätzlich darf jede Schwangere nach einem Kaiserschnitt verlangen. Ihr Arzt kann dann höchstens die Behandlung ablehnen. Costa zufolge würden er und seine Kollegen stets versuchen, die Frau von der natürlichen Geburt zu überzeugen. „Aber sie umzustimmen, gelingt nur bei etwa 20 Prozent.“ Argumentieren würden die Frauen oft mit der Angst vor einer schweren Geburt. Dabei seien die Schmerzen meist schon nach Minuten vergessen.

Laut Petra Chluppka vom Landeshebammenverband geht es vielen Frauen auch um die Planbarkeit. „Sie wollen zum Beispiel sicherstellen, dass ihr Mann bei der Geburt nicht auf Montage ist.“ Auch Berichte über Promi-Kaiserschnitte à la Daniela Katzenberger würden die Akzeptanz steigern. Unter den Kliniken, sagt sie, gebe es auch solche, die Kaiserschnitte anpreisen würden. Hierbei spiele oft der Kostenfaktor eine Rolle. Die AOK beispielsweise zahlt rund 900 Euro mehr als für eine Spontangeburt. Bei der Barmer GEK waren es zuletzt im Schnitt sogar 1500 Euro.

Chluppka sieht Wunsch-Kaiserschnitte kritisch, unter anderem wegen der langfristigen Risiken. Sie verweist auf Studien, laut denen wegen der fehlenden Hormonausschüttung des Kindes bei der Geburt eine höhere Anfälligkeit etwa für Allergien und Asthma bestehe. Damit argumentiert auch die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. Ines Brock, Hallenser Kinder- und Jugendtherapeutin, berichtet zudem von psychischen Folgen, die sie beobachtet: „Kinder nehmen die Situation ihrer Geburt unbewusst mit in ihr Leben hinein. Wer sich nicht durch den Geburtskanal gearbeitet hat, könnte später zum Beispiel mehr Angst vor neuen Situationen haben.“

Auch die Kassen finden den Trend zu mehr Kaiserschnitten bedenklich. Barmer-GEK-Geschäftsführer Axel Wiedemann sagt: „Ohne medizinische Notwendigkeit birgt ein Kaiserschnitt keine Vorteile. Im Gegenteil: Viele Babys kämpfen mit Anpassungsstörungen und Problemen beim Atmen.“ Und die AOK verweist auf die Vorteile der Spontangeburt, wie die Stärkung der Bindung zwischen Mutter und Kind. Frauenarzt Costa geht sogar noch weiter: „Das ist eines der tollsten Erlebnisse, die man haben kann.“