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Todestag „Sein Name ist ein Lobgedicht“

Vor 250 Jahren starb der gebürtige Magdeburger Georg Philipp Telemann. Eine Erinnerung an den beudetenden Komponisten.

Von Kathrin Singer 25.06.2017, 15:26

Magdeburg l Als Georg Philipp Telemann am 25. Juni 1767 in Hamburg an einer „Brustkrankheit“ stirbt, ist die europäische Musikwelt um einen bedeutenden Vertreter ärmer. „In der Person des berühmten Telemanns hat unsere Stadt einen wahrhaften Verlust erlitten ... Sein Name ist sein Lobgedicht“, formuliert etwa der Hamburgische Correspondent einen Tag nach dem Tode Telemanns. Telemanns Freund Johann Heinrich Rolle formulierte in seinem Beileidsschreiben an Telemanns Enkel Georg Michael: „Sie haben einen zärtlichen Grosvater, die musicalische Welt aber ihren Vater der Music verlohren, deßen Ruhm und Ehre bey allen unsterblich, und von Nachkommen zu Nachkommen fortgepflanzet werden wird.“ Dass Telemann zu Lebzeiten einst dermaßen Ansehen und Würdigung erfahren würde, mehr noch, dass er zu allen Zeiten ein auskömmliches Dasein mit seinen Kompositionen haben würde, ließ sich in früher Jugend freilich noch nicht absehen. 1681 in Magdeburg als zweitletztes von sieben Kindern geboren, verlor er im Alter von vier Jahren seinen Vater.

Das Interesse an der Musik war zwar vorhanden. Bereits in jungen Jahren spukten „muntere Töngens“ in dem Knaben, der im Alter von zwölf Jahren seine erste Oper „Sigismundus“ schrieb und in Magdeburg aufführte. Die Berater jedoch wirkten auf Mutter Telemann ein, den Knaben bloß nicht zu einem „Gauckler, Seiltäntzer, Spielmann, Murmelthierführer“ werden zu lassen, woraufhin sie ihren Sohn ab 1694 auf ein Internat nach Zellerfeld schickte, auf dass er auf andere Gedanken käme.

Ob sie wirklich nicht wusste, dass ausgerechnet dort Superintendent Caspar Calvör sich in seinen Schriften intensiv mit Musik beschäftigte und Telemann fördern würde? Dieser nämlich ermutigte Telemann, die Musik wieder aufzunehmen, jedoch auch die Schule nicht zu vernachlässigen. So begann Telemann, fast wöchentlich Motetten für den Kirchenchor, aber auch Arien und Gelegenheitsmusiken zu komponieren. Nach seinem Wechsel auf das Gymnasium Andreanum in Hildesheim, wo Telemann seine musikalischen Ausbildung vervollkomnete und autodidaktisch Orgel, Gambe, Traversflöte, Oboe, Chalumeau, Kontrabass und Quintposaune spielen lernte, entschloss er sich unter dem Druck seiner Mutter dennoch ab 1701 zu einem Jura-Studium in Leipzig. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ihn die Musik längst gepackt. Vermutlich auf dem Weg in die damals als bürgerliche Metropole moderner Musik traf er den damals 16-jährigen Georg Friedrich Händel, mit dem ihm fortan eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Bereits 1702 gründete er ein studentisches Collegium musicum, das öffentliche Konzerte gab und leitete Aufführungen des Opernhauses.

In seiner Autobiografie von 1740 berichtet er stolz davon, dass er seiner Mutter die regelmäßige Geldzuwendung zurücksenden konnte. Mehr noch, Telemann war von da an in der Lage, von seiner Musik, die er sich nach seiner Schulbildung weitestgehend im Selbststudium aneignete, zu leben und erhielt endlich den lang ersehnten Segen der Mutter zu seinem selbst erwählten Beruf. Und für den arbeitete er hart, denn er hatte nicht nur die Stellung des künstlerischen Leiters der Leipziger Oper inne, sondern war auch Organist der Neuen Kirche, schrieb Musiken für die Thomaskirche, die Nikolaikirche, den Weißenfelser Hof und natürlich für die Leipziger Oper.

1704 erhielt Telemann von Reichsgraf Erdmann II. von Promnitz das Angebot, Kapellmeister am Hof zu Sorau, dem heutigen polnischen Żary, zu werden. In Pless (Pszczyna) und Krakau lernte er polnische Folklore kennen, die wohl in Wirtshäusern und auf öffentlichen Veranstaltungen aufgeführt wurde. Diese musikalischen Spuren lassen sich, ebenso wie italienische und französische Einflüsse in vielen Kompositionen nachweisen. Eine äußerst produktive Zeit verbrachte Telemann ab 1708 am Hof des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach in Eisenach, wo er vor allem Kirchenkantaten, Gelegenheitsmusiken für höfische Festlichkeiten, etliche Solokonzerte, Kammermusik und nach wie vor Opern für das Leipziger Opernhaus komponierte. In diese Zeit fällt auch die Hochzeit Telemanns mit seiner ersten Frau Amalie Luise Juliane Eberlin, die nach der Geburt ihrer Tochter 1711 im Kindbett verstarb.

Von 1712 bis 1721 war Telemann städtischer Musikdirektor in Frankfurt am Main. In diese Zeit fällt die Geburt seines Patensohnes Carl Philipp Emanuel Bach, die Uraufführung seiner berühmten Brockes-Passion, die Heirat mit seiner zweiten Frau Maria Catharina Textor, mit der er acht Söhne und eine Tochter hatte, und die Gründung seines eigenen Verlages. Wichtige Werke gab der rührige Unternehmer über zwei Jahrzehnte hinweg im Selbstverlag heraus, oftmals die Noten eigenhändig stechend. Ökonomisch denkend, veröffentlichte er im Subskriptionsprinzip, also auf Vorkasse, um das unternehmerische Risiko zu minimieren. Die Namen der Erstkäufer druckte er gelegentlich werbewirksam auf den ersten Seiten mit ab. So weiß man heute, dass seine berühmte „Musique de table“ nicht nur 185 Erstbesteller vorweisen konnte, sondern auch Kunden aus Adelskreisen, Liebhaber und musikalische Profis (z. B. Händel) aus Deutschland, Holland, Frankreich, England, Spanien, Norwegen, Dänemark, der Schweiz und dem Baltikum zu den Käufern zählten. Die längste Zeit seines Lebens verbrachte Telemann in Hamburg, wo er ab 1721 als Kantor am Johanneum, der berühmten Hamburger Gelehrtenschule, und als Musikdirektor der fünf Hauptkirchen wirkte.

Zudem fungierte er als künstlerischer Leiter der Oper am Gänsemarkt und als Veranstalter öffentlicher Konzerte. Unter seinen zahlreichen Reisen ist jene nach Paris 1737-38 hervorzuheben, wo er mit mehreren Aufführungen neu komponierter Werke endgültig auch zu internationalem Ruhm gelangte.

Über Telemanns Leben und Werk ist mehr Material überliefert als über viele seiner zeitgenössischen Komponistenkollegen. Wichtigste Quellen neben Briefen, Gedichten und anderen Texten sind dabei die vier Autobiografien, die Telemann auf Wunsch der Musikgelehrten Johann Mattheson und Johann Gottfried Walther schrieb. Im Frühjahr 2017 erschien im Laaber-Verlag nun erstmals eine umfassende Biografie „Georg Philipp Telemann und seine Zeit“ des Musikwissenschaftlers Siegbert Rampe, mit der Telemann in die Verlagsreihe „Große Komponisten und ihre Zeit“ aufgenommen wurde.

Der Quedlinburger Komponist Johann Heinrich Rolle brachte die erst im 20. Jahrhundert wieder aufkeimende Begeisterung für Telemann bereits 1767 auf den Punkt: „Wie viele Jahre wäre vielleicht die Music in Deutschland nicht noch elend und erbärmlich geblieben, wenn kein Telemann aufgestanden, der durch sein göttliches Genie und durch seinen überaus großen Fleiß die Music aus der Finsterniß herausgezogen, und ihr einen ganz andern und neüern Schwung gegeben?“